Soft Skills Hype

Weiche Kompetenzen

Nur nicht die Bodenhaftung verlieren!

Autor: in: Manfred Hofferer, Renate Fanninger & Team, © BPÖ 2023

Soft Skills sind in den letzten Jahren - und aktuell wieder verstärkt - zu einem viel besprochenen, beschriebenen und hochgepushten Thema geworden. Von Anbietenden im privaten Bereich, Unternehmen und Personalabteilungen wird regelmäßig betont, wie wichtig diese Kompetenzen für u. a. den privaten und beruflichen Erfolg sind.

 

Immer, wenn ein Thema boomt, lohnt es sich dieses genauer anzusehen und einer kritischen Betrachtung zu unterziehen, insbesondere dann, wenn es dafür in der Psychologie eigentlich keine Definition gibt. Was es in der Psychologie gibt, sind einige Konzepte und Theorien, die mit der Begrifflichkeit Soft Skills in Verbindung stehen und Teile davon näher beschreiben. Einige der wichtigsten Aspekte, welche die Psychologie und die verknüpften Wissenschaften im Zusammenhang mit Soft Skills erforschen und wozu es entsprechend belastbares Datenmaterial gibt, sind bspw. Emotionale Intelligenz, soziale und interaktionelle Kompetenzen, alles rund um Kommunikation und Kommunikationskompetenz, Konflikt- und Konfliktlösung, kritisches Denken und Problemlösung oder Selbstregulation und Stressbewältigung.

 

Der Begriff "Soft Skills" ist somit nicht mehr als eine allgemein gehaltene Begrifflichkeit, die hauptsächlich in der Arbeitswelt und im Bereich der Personalentwicklung verwendet wird, um soziale, emotionale und personale Fertigkeiten und Kompetenzen zu beschreiben, die in jeweils speziellen bzw. spezifischen Arbeitsbereichen (so wird es angenommen) benötigt werden.

 

Es besteht kein Zweifel daran, dass gut ausgeprägte Soft Skills wichtige Kompetenzen sind, die das zwischenmenschliche Miteinander im Privatem wie im beruflichen Umgang miteinander erleichtern und zu einer positiven Umgehens-, Beziehungs- und Arbeitsatmosphäre beitragen. Ohne Frage ist es auch nicht falsch, einzelne Soft Skills über Bildungsmaßnahmen zu fördern, weiterzuentwickeln und zu trainieren. Jedoch muss dies immer in einem ausgewogenen Verhältnis zu den tatsächlichen Anforderungen des Umfelds bzw. der Arbeitsstelle wie auch den individuellen persönlichen und beruflichen Zielsetzungen der nachfragenden Personen stehen. Da aber die Bedeutung von Soft Skills in den Werbebotschaften häufig übertrieben und mehr denn weniger als Allheilmittel für einen Großteil beruflicher Herausforderungen dargestellt wird und weil äußerst selten darüber laut gesprochen wird ein Blick auf die weniger angenehmen Teile, wenn lauthals „Soft Skills sind wichtig!“ gebrüllt wird:

  1. Mangelnde und fehlende wissenschaftliche Evidenz: Nie übersehen werden darf, dass es immer noch sehr begrenzte wissenschaftliche Evidenzen gibt, die den direkten Zusammenhang zwischen Soft Skills und beruflichem Erfolg zweifelsfrei belegen. Obwohl es die eine oder andere Fallstudie und viele persönliche Erfolgsgeschichten gibt, fehlen umfassende empirische Studien, welche die langfristigen Auswirkungen von Soft Skills auf z.B. Karriereverläufe nachweisen und belegen.

  2. Unrealistische Erwartungen: Die Überbetonung von Soft Skills mündet leicht in unrealistische Erwartungen und einem verzerrten Bild der tatsächlichen Anforderungen und den zu erwartenden möglichen Ergebnissen. Es ist wichtig, das Thema differenziert zu betrachten und einen angemessenen Fokus auf die Förderung von Soft Skills zu legen, ohne dabei die Bedeutung von Hard Skills zu vernachlässigen.

  3. Vernachlässigung von strukturellen Problemen: Soft Skills werden (mit oder ohne explizite Absicht) nicht selten als Lösung für diverse Probleme am Arbeitsplatz angesehen und präsentiert. Schaut man jedoch genauer hin, erkennt man, dass in gar nicht wenigen Fällen die Fokussierung auf Soft Skills strukturelle Herausforderungen und systemische Missstände verdeckt. Beispielsweise könnten unklare Rollen und Verantwortlichkeiten, mangelnde Ressourcen oder ineffiziente Arbeitsprozesse eher die Ursache für Konflikte und Kommunikationsprobleme sein, anstatt ein Mangel an Soft Skills.

  4. Betonung von Individualverhalten statt Systemveränderungen: Eine starke Fokussierung auf Soft Skills führt regelmäßig ebenso dazu, dass das Augenmerk primär auf individuelle Verhaltensänderungen gelegt wird, anstatt notwendige strukturelle oder prozessuale Veränderungen und Verbesserungen im Unternehmen anzustreben und umzusetzen.

  5. Soft Skills als Ablenkung: In manchen Fällen dient die Fokussierung auf Soft Skills eindeutig als Ablenkungsmanöver, um von anderen Problemen abzulenken. Unternehmen könnten das Thema verstärkt in den Vordergrund stellen, um z.B. von unzureichenden Rahmen- und Arbeitsbedingungen, niedrigen Gehältern, fehlende Führungsaufgaben oder anderen Defiziten im Arbeitsbereich abzulenken.

  6. Individuelle Unterschiede: Menschen sind von Natur aus unterschiedlich, und nicht jede und jeder wird die gleiche Stärke in den gleichen Soft Skills haben oder entwickeln. Eine einseitige Betonung von bestimmten Soft Skills führt leicht dazu, dass andere individuelle Kompetenzen - die wichtige Stärken einer Person darstellen - vernachlässigt werden. Die Folge ist Verlust von Diversität und Inklusion!

  7. Kulturelle Verschiedenheiten: Soft Skills werden weithin unreflektiert als universell gültige Kompetenzen dargestellt. Tatsache jedoch ist, dass ihre Bedeutung und Ausprägung je nach kulturellem Kontext stark variieren können. Was bspw. in einer Kultur als höflich und respektvoll gilt, kann in einer anderen als zu zurückhaltend oder im Gegenteil als übertrieben angesehen werden.

  8. Gefahr der Oberflächlichkeit: Soft Skills sind schwer; und nur von Fachleuten, objektiv zu messen und zu bewerten. Dies hat nicht selten zur Folge, dass (ohne dass ihr tatsächliches Wissen und Können angemessen berücksichtigt wird) oberflächliche Einschätzungen getroffen werden, welche Mitarbeitenden über die gewünschten Soft Skills verfügen.

  9. Überforderung der Mitarbeitenden: Die ständige Betonung der Notwendigkeit der Entwicklung von (bestimmten) Soft Skills baut zusätzlich bei vielen Arbeitnehmenden einen unangenehmen Druck auf. Die an sie herangetragene Erwartung, dass sie nicht nur ihre fachlichen, sondern auch die sozialen Kenntnisse und Kompetenzen, ständig verbessern müssen, kann durchaus übermäßigen Stress erzeugen.

  10. Personalbeschaffung und Personalpflege: Wenn Unternehmen dazu neigen, zu stark auf Soft Skills zu fokussieren erhöht sich die Gefahr, dass die fachliche Qualifikation von Bewerbenden oder/und Mitarbeitenden vernachlässigt werden und in den Hintergrund treten. Die Folge ist, dass das mit der Zeit zu einer geringeren fachlichen Qualifikation der Mitarbeitenden nach sich zieht und mittel- bis langfristig die Effizienz und Qualität der Arbeit beeinträchtigt.

  11. Potenzielle Ungleichbehandlung: Die übertriebene Betonung von Soft Skills hat immer auch zur Folge, dass einzelne Mitarbeitende benachteiligt werden, die aus unterschiedlichen Gründen Schwierigkeiten haben, die geforderten Kompetenzen zu entwickeln oder auszudrücken. Die Folge ist, eine unbeabsichtigte Ungleichbehandlung das die Vielfalt am Arbeitsplatz gefährdet.

  12. Dynamik in der Arbeitswelt: Die Anforderungen der Arbeitswelt ändern sich laufend, und bestimmte Soft Skills, die aktuell als unverzichtbar angesehen und angepriesen werden, könnten schon in absehbarer Zeit an Bedeutung verlieren. Ein starres Vorgeben und Festhalten an einem bestimmten Set von Soft Skills könnte somit auch die Adaptationsfähigkeit der Arbeitnehmenden beeinträchtigen.

Und schließlich darf am Ende nie übersehen werden, egal, wie an die Sache herangegangen wird (Vorstellungsgespräch, gezielte Interviews, Simulationen oder psychologische Persönlichkeitstests [z.B. »Bochumer Inventar zur berufsbezogenen Persönlichkeitsbeschreibung«, »Personal Inventory (PAPI)«, »Skills and wills« oder »ProfessPlus«]), es ein Faktum ist, dass die „eigentlichen Messinstanzen“ im Falle von Bewertungen von Soft-Skills die Erfahrung, das Gefühl sowie die persönliche Einschätzung der Beobachtenden sind und das ist unbestritten höchst subjektiv. 

 

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