Vorurteile überwinden

Das ANDERE & FREMDE

Einander besser verstehen

Autor: Manfred Hofferer & Team, © BPÖ 2023

Vorurteile sind wie dunkle Schatten, die sich über die Wahrnehmung und das Denken der Menschen legen und ihre Beziehungen zu anderen und anderem beeinflussen. Sie sind vorgefasste Meinungen, die eine Person über eine andere Person, eine Gruppe oder eine Situation; bewusst oder unbewusst, gefasst hat, noch bevor genügend Informationen gesammelt wurden, um ein fundiertes und inhaltlich ausdifferenziertes Wissen zu bilden. Vorurteile können sich auf Geschlecht, Ethnizität, Nationalität, Religion, soziale Klasse, sexueller Orientierung und vielen anderen Merkmalen beziehen. Zu einem Problem werden sie immer dann, wenn sie ungerecht und abwertend sind und zu Diskriminierung, Ungleichbehandlung und Konflikten führen.

 

Was sind Vorurteile?

 

Vorurteile sind kognitive Muster, die das Gehirn automatisch bildet, um Informationen schneller zu verarbeiten. In einer komplexen Welt mit einer Vielzahl von Informationen ist es notwendig, dass Entscheidungen in Sekundenschnelle getroffen werden. Dabei greift der Mensch bzw. sein Gehirn auf bereits bestehende Muster zurück, um die Welt im Moment verständlicher zu machen. Dieser Zugriff ist jedoch problematisch, da diese Muster zu Verzerrungen führen, da sie in der Regel auf unvollständigen oder veralteten Informationen beruhen.

 

Vorurteile können positiv oder negativ sein, aber positive Vorurteile sind nicht zwangsläufig harmlos, da sie genauso dazu führen können, dass bspw. Menschen überhöht und unrealistische Erwartungen an sie gestellt werden. Negative Vorurteile führen hingegen zu Abwertung, Diskriminierung und Ausgrenzung und sie sind der Motor der selbsterfüllenden Prophezeiungen, bei der Menschen aufgrund ihrer negativen Vorurteile dann auch Verhaltensweisen zeigen, die diesen Vorurteilen entsprechen.

 

Welche Quellen haben Vorurteile? Die 4 wichtigsten:

  • Kognitive Ausstattung: Ganz allgemein und notwendigerweise neigt das menschliche Gehirn dazu, Informationen zu vereinfachen, um sie leichter verarbeiten zu können. Das hat u.a. ein Schwarz-Weiß-Denken zur Folge, bei dem Menschen oder Gruppen in eine bestimmte Ablage gelegt werden, ohne die mögliche Vielfalt, Mehrdeutigkeit oder Andersartigkeit zu berücksichtigen und zu erkennen.

  • Stereotypenbildung: Diese Tendenz zur Vereinfachung hat, gespeist aus eigener Erfahrung oder aber durch wiederholte Darbietung durch bspw. die Medien und sofern nicht kritisch geprüft, auch zur Folge, dass generalisierte Annahmen über bspw. Mitglieder einer bestimmten Gruppe gebildet werden. Die daraus erwachsenden unreflektierten Stereotypien bilden in der Folge die Grundlage für den Zu- und Umgang mit diesen Menschen.

  • Soziales Lernen: Relativ häufig ist der Umstand anzutreffen, dass Vorurteile von Bezugspersonen, Eltern, Lehrenden, Freundinnen und Freunden oder den Medien ohne kritische Prüfung übernommen werden. Hört jemand von klein auf, dass bestimmte Personengruppen z.B. minderwertig sind, beeinflusst das in der Folge; weil auch das Stereotypien sind, die Wahrnehmung, das Verstehen und den Umgang mit ihnen.

  • Angst vor dem Unbekannten: Ein weiterer Aspekt ist zu beachten, nämlich der das Fremdes und Unbekanntes Ängste auslöst. Ist der Mensch mit ihm nicht Bekanntem konfrontiert, ist die Tendenz und Neigung, über Vorurteile zu reagieren relativ hoch, um sich vor potenziellen oder vermeintlichen Gefahren zu schützen.

 

Wie werden Vorurteile überwunden?

 

Die Überwindung von Vorurteilen erfordert bewusste Anstrengungen auf individueller, sozialer und gesellschaftlicher Ebene. Sie ist keine punktuelle oder einmalige Maßnahme und Aufgabe, sondern erfordert eine permanente Auseinandersetzung damit. Im Kern geht es darum, kontinuierlich an den eigenen Denkmustern zu arbeiten, um dadurch eine erweiterte und differenzierte Weltsicht zu erlangen.

  • Selbstreflexion: Der mit Sicherheit erste und wichtigste Schritt besteht darin, sich der eigenen Neigung zu Vorurteilen und den Vorurteilen bewusst zu werden. Eine gute Selbstreflexion ermöglicht es, eigene Denkmuster zu erkennen und entsprechend kritisch zu hinterfragen.

  • Bildung und Information: Bildung ist ein mächtiges Werkzeug gegen Vorurteile. Je mehr der Mensch über verschiedene Lebensweisen, Kulturen, Lebensrealitäten und Perspektiven erfährt, desto weniger anfällig ist er für stereotype Annahmen und Meinungen ohne entsprechendem Wissensfundament.

  • Informationsquellen- und Medienauswahl: Medien spielen eine bedeutende Rolle bei der Bildung von Vorurteilen. Daher ist es wichtig, sich mit Informations- und Medienquellen zu beschäftigen, die vielfältige, vielschichtige und differenzierte Perspektiven bieten und die auf sensationsheischende und stereotype Darstellungen verzichten.

  • Kontakt und Interaktion: Persönliche Begegnungen und der Umgang mit Menschen, die zu den stereotypisierten Gruppen gehören, bauen Vorurteile ab. Wenn Menschen als Person und individuelle Persönlichkeit kennengelernt werden, erkenn der Mensch viel leichter ihre Einzigartigkeit und Besonderheit.

  • Dialog und offene Kommunikation: Offene Gespräche über Vorurteile und daraus resultierenden Ungleichbehandlungen und Diskriminierungen schaffen ein Bewusstsein für die Problematik und fördern den Austausch von unterschiedlichen Sichtweisen und Perspektiven. Der offene Dialog ermöglicht das Ausräumen von Missverständnissen und den Abbau von irrigen Vorstellungen und ebnet den Weg zum (Er-)Finden von gemeinsamen Lösungen.

  • Kritisches Denken fördern: Menschen brauchen laufend Ermutigung und sachlich korrekte Informationen, um vermeintliche Sachverhalte stets kritisch hinterfragen zu können und nicht einfach Meinungen oder Trends zu vertrauen. Ein gutes Maß an kritischem Denken ermöglicht es, Stereotypien zu durchbrechen und eine differenzierte Sichtweise zu entwickeln.

  • Vorbildfunktion übernehmen: Lehr- und Führungspersonen in Bildung, Politik, Wirtschaft, Medien und Gesellschaft helfen - ganz abgesehen von gesetzlichen Maßnahmen zur Verhinderung von Ungleichbehandlung und Diskriminierung - beim Umgang mit und beim Abbau von Vorurteilen, wenn sie Vorbilder sind, indem sie Vorurteile nicht nur vermeiden, sondern aktiv für Differenziertheit, Vielfalt und Inklusion eintreten.

Alle diese Maßnahmen haben zur Folge, dass Personen zunehmend in die Lage kommen, sich in Anderes und Andere, die Hintergründe und Geschichten sowie deren Geworden Sein zu versetzen und die Welt aus deren Perspektive zu betrachten. Vorurteile sind zwar tief verwurzelte Denkmuster, welche die Sicht auf die Welt und die Interaktionen mit anderen Menschen beeinflussen, aber sie sind kein Schicksal, dem sich Frau, Mann oder Divers hilf- und bedingungslos ergeben muss. Jede Überwindung von Vorurteilen ist ein Prozess und dabei ist persönliches Engagement gefordert. Es liegt an uns allen, diesen Weg zu beschreiten und Vorurteile Schritt für Schritt zu überwinden und aus der Welt zu schaffen.

 

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