
Erwachsenenbildung verändert
Laut ist keine Option
Autor: Manfred Hofferer & Team Bildungspartner Österreich, © BPÖ 2025
In Zeiten, in denen die Schlagzeilen von lauten Protesten, radikalen Parolen und gesellschaftlichen Gräben dominiert werden, übersieht am oft, dass Widerstand auch anders aussehen kann. Nicht immer muss er sich auf der Straße oder in den Sozialen Medien manifestieren, nicht immer muss er laut, provokativ und konfrontativ sein. Der vielleicht wirksamste Widerstand ist der, der leise beginnt und tief in den Köpfen und Herzen der Menschen wurzelt: die Bildung.
Bildung war, wenn man darüber nachdenkt, immer schon Widerstand. Ein stiller, beharrlicher Widerstand gegen Unwissenheit, Ungerechtigkeit, Ungleichheit und Machtmissbrauch. Insbesondere die Erwachsenenbildung spielt eine entscheidende Rolle. Sie ist keine radikale Bewegung, die das System mit Druck und Gewalt stürzt, sondern eine subtile Kraft, die das System von innen heraus bearbeitet und reformiert, indem sie die Menschen befähigt, der Welt kritisch gegenüberzutreten und konstruktive Veränderungen anzustoßen und voranzutreiben.
Das Prinzip des stillen Widerstands
Stiller Widerstand, wie er in der Erwachsenenbildung (von manchen bewusst) praktiziert wird, basiert nicht auf Zerstörung, sondern auf Konstruktion. Er zielt darauf ab, Missstände zu erkennen, zu hinterfragen, Alternativen zu suchen und Lösungen anzubieten. Statt blind anzunehmen und zu gehorchen, steht die kritische Reflexion im Mittelpunkt. Statt zu bloß in Frage zu stellen und zu zerstören, geht in der Bildung um Gestaltung. Bildung macht den Unterschied zwischen denen, die wütend auf einen (vermeintlichen) kaputten Mechanismus einschlagen, und denen, die ihn verstehen, versuchen anzupassen und im besten Fall etwas Besseres anbieten.
Die Arbeit in der Erwachsenenbildung bietet dafür einen guten Nährboden. Sie ist der Raum, in dem Menschen zusammenkommen, um sich freiwillig weiterzubilden. Das schafft eine Umgebung, die es ermöglicht, über den Tellerrand zu blicken und sich z. B. langsam von alten Denkmustern zu lösen.
Wie wird in der Erwachsenenbildung stiller Widerstand gelehrt?
Der Prozess des stillen Widerstands ist vielschichtig und umfasst verschiedene Ansätze, die sich in den unterschiedlichsten Bildungsangeboten zeigen. Immer geht es aber darum, die Menschen mit den richtigen Werkzeugen auszustatten, um mündige und handlungsfähige Bürgerinnen und Bürger zu werden.
Die Kraft des kritischen Denkens
Jede Veränderung und jeder Wandel beginnen mit einer Frage. In gut gemachter Erwachsenenbildung lernt man, nicht nur Informationen zu konsumieren und Konzepte oder Modelle zu übernehmen, sondern sie in Frage zu stellen und zu hinterfragen. Ein Workshop zu „Umgang miteinander“ ist eine gute Möglichkeit, um über Machtstrukturen nachzudenken, sie zu analysieren und zu verstehen, wie sie entstehen und wie sie funktionieren. Medienkompetenzseminare statten mit den Fertigkeiten und Kompetenzen aus, Fake News und Manipulation zu erkennen. Dort wird gelehrt, Quellen zu prüfen und die Absichten hinter Nachrichten zu entschlüsseln.
Dieser Prozess des Zugangs und der kritischen Reflexion ist der erste und wichtigste Schritt des Widerstands. Denn wer versteht, wie die Welt funktioniert, lässt sich weniger leicht manipulieren und kann sehr viel bewusstere Entscheidungen treffen.
Die Kunst der Kommunikation und des friedlichen Konflikts
Radikalität lebt von der Konfrontation. Stiller Widerstand hingegen setzt auf Begegnung und Verständigung. Im Grunde können in jedem Bildungsangebot die Grundpfeiler (bspw. gewaltfreie Kommunikation, Rhetorik und Argumentation) für einen konstruktiven Umgang miteinander gelegt werden. Dadurch erlernen die Teilnehmenden, ihre eigenen Bedürfnisse, Sichtweisen, Standpunkte und Positionen zu artikulieren, ohne andere anzugreifen, und Konflikte auf eine Weise zu lösen, welche zu jeder Zeit die Würde aller Beteiligten respektiert.
Der Widerstand in diesem Bereich liegt darin, dass sich die Beteiligten weigern, in abwertende, ausgrenzende und destruktive Verhaltensmuster zu verfallen. Es wird nicht mit Geschrei und Fäusten, sondern mit Worten gearbeitet. Dabei geht es nicht darum, das Gegenüber (das auch keine Gegnerinnen oder Gegner sind) zu vernichten, sondern zu verstehen. Diese Kompetenz, Brücken statt Mauern zu bauen und Gräben auszuheben, ist in einer polarisierten Gesellschaft von unschätzbarem Wert.
Historisches Bewusstsein und bürgerschaftliches Engagement
Wichtig ist, dass sich die Bildungsanbietenden wieder besinnen, in ihren Bildungsveranstaltungen sich (implizit und/oder explizit) mit dem Gedanken des gewaltlosen Widerstands auseinandersetzen, um das Vorurteil, dass nur Gewalt etwas bewegen kann, auszuhebeln und Frau, Mann und Divers dazu anregen, selbst gewaltfrei aktiv zu werden.
Im Grunde informieren alle Bildungsangebote, wenn verantwortlich gestaltet, unabhängig vom Thema über bürgerliches Engagement und informieren über die Mechanismen der Demokratie. Der Widerstand hier liegt im aktiven Eintreten für die eigenen Überzeugungen innerhalb der bestehenden demokratischen Strukturen. Es ist die Weigerung, die Verantwortung an andere abzugeben, und die Bereitschaft, die eigene Stimme zu nutzen. Sei es in der Teamarbeit, dem Prozessmanagement oder im Wahrnehmen der eigenen Führungsarbeit.
Kreativität als Ausdruck des Protests
Ein Blick in die Geschichte zeigt, dass die stillsten Proteste die kreativsten und wirkungsvollsten gewesen sind. Eine Begegnung, ein ruhiges Gespräch, ein respektvolles Miteinander auf Augenhöhe, gegenseitig unterstützende gemeinsame Arbeit oder auch passende Fachtexte vermitteln sehr viel stärker die Botschaft des Miteinanders als lautes Geschrei. Angebote der Erwachsenenbildung bieten dafür einen sicheren Rahmen, um Gefühle, Ideen, Vorstellungen und Überzeugungen auszudrücken, die im Alltag wenig oder keinen Platz finden, und das Miteinander in den Mittelpunkt zu stellen.
Dieser kreative Widerstand ist besonders wirksam, weil er Menschen in ihren Grundbedürfnissen anspricht und nicht nur in ihrem Denken. Er weckt Empathie, eröffnet neue Perspektiven, trennt nicht und zerstört nicht das soziale Gefüge, sondern schafft stattdessen neue, erstrebenswerte Bilder davon.
Warum ist dieser Ansatz wichtig?
In einer Welt, die komplex und unübersichtlich ist, ist es verständlich, sich überfordert und ohnmächtig zu fühlen. Radikalität erscheint dann als verlockende, unmittelbare und scheinbar einfache Lösung. Sie verspricht schnelle, klare Antworten auf komplexe Fragen und Problemstellungen. Der stille Widerstand der Erwachsenenbildung bietet das Gegenteil: Er vermittelt keine einfachen Antworten, sondern arbeitet am Aufbau der Kompetenz, komplexe Fragen zu stellen und langsam eigene Lösungen zu (er-)finden. Er lehrt, dass der Mensch nicht machtlos ist und jede und jeder Einzelne die Fähigkeit hat, durch sein bzw. ihr Handeln, seine bzw. ihre Worte und die Überzeugungen einen Unterschied zu machen. Das beginnt bei der bewussten Kaufentscheidung im Supermarkt, geht über das kritische Gespräch mit Freundinnen und Freunden und endet bei der aktiven Beteiligung in der Nachbarschaft oder in der Politik.
Bildung als Widerstand ist kein Sprint, sondern ein Marathon. Sie ist nicht laut, sondern beharrlich. Sie möchte nicht die Schlagzeilen dominieren, will aber das Fundament der Gesellschaft nachhaltig in „Richtung Miteinander“ verändern. Sie ist eine Kraft, welche die Welt nicht mit Gewalt erobert, sondern mit Vernunft, Empathie und Menschlichkeit gestaltet. Am Ende des Tages ist der wahre Widerstand nicht das, was wir auf der Straße tun, sondern das, was wir in uns selbst bewirken. Und dafür gibt es keinen besseren Ort als die Erwachsenenbildung.
Wenn das Konzept des stillen Widerstands durch Bildung gelingen soll, müssen Erwachsenenbildende Vertreterinnen und Vertreter von mehreren entscheidenden Rollen sein:
- Vertreterinnen und Vertreter der Ermächtigung (Empowerment): Erwachsenenbildende sind in erster Linie Katalysatoren. Ihre Rolle ist es nicht, den Teilnehmenden Wissen und Meinungen vorzulegen und es ihnen aufzuzwingen, sondern sie zu befähigen, eigene, fundierte Meinungen zu bilden. Sie schaffen einen sicheren Raum, in dem Lernende ihre eigenen Erfahrungen und ihr Wissen einbringen und mit neuen Perspektiven verknüpfen können. Das stärkt das Selbstvertrauen, die Selbstwirksamkeit und die Überzeugung, dass jede Person die Macht hat, die Welt zu verstehen und zu beeinflussen. Sie unterstützen und fördern die Kompetenz, selbstbestimmt und handlungsfähig zu sein.
- Vertreterinnen und Vertreter des kritischen Denkens: Sie sind nicht nur Wissensvermittelnde, sondern Anleitende zum Hinterfragen. Ihre Aufgabe ist es, die Lernenden zu ermutigen, die "Warum"-Frage zu stellen. Sie lehren, gesellschaftliche Normen und Gegebenheiten, politische Entscheidungen und mediale Botschaften kritisch zu analysieren. Dabei stellen sie nicht bloß Informationen bereit, sondern vermitteln die notwendigen Methoden, Techniken und Verfahren, um Fakten von Meinungen zu trennen, Quellen zu bewerten und logische Argumentationsketten zu erkennen.
- Vertreterinnen und Vertreter des Dialogs: In einer Welt, die von Polarisierung durchzogen ist, sind Erwachsenenbildende Moderatorinnen und Moderatoren sowie Brückenbauende. Sie fördern eine Kultur des respektvollen Umgangs und Dialogs, in der unterschiedliche Ansichten nicht als Bedrohung, sondern als Chance zur Horizonterweiterung gesehen werden. Sie leiten Diskussionen so an, dass sich die Teilnehmenden gegenseitig zuhören und versuchen, die Perspektive des anderen zu verstehen, anstatt nur den eigenen Standpunkt zu verteidigen. Sie verkörpern die Überzeugung, dass gemeinschaftliche Lösungen nur durch offene Kommunikation gefunden werden können.
- Vertreterinnen und Vertreter der Zuversicht: Sie vermitteln die Idee, dass Veränderung möglich ist und dass das Handeln jedes Einzelnen und jeder Einzelnen zählt. Durch die Auseinandersetzung mit Gemeinsamkeiten und durch das Aufzeigen von konkreten Handlungsmöglichkeiten, wie bürgerschaftliches Engagement, Solidarität oder das Aushalten von Gegensätzlichkeiten, geben sie den Teilnehmenden eine positive Vision für die Zukunft. Sie bekämpfen das Gefühl der Ohnmacht, ermutigen und inspirieren dazu, die Welt nicht als unaufhaltsames Schicksal, sondern als gestaltbaren Raum zu betrachten.
Aber Achtung, das heißt nicht, dass Erwachsenenbildende politischen Aktivistinnen und Aktivisten im herkömmlichen Sinne sind. Sie vertreten keine spezielle Ideologie. Vielmehr sind sie Vertreterinnen und Vertreter sowie Verfechterinnen und Verfechter von Kompetenzen und Haltungen, die für eine funktionierende und widerstandsfähige Demokratie unerlässlich sind: Kritisches Denken, Dialogfähigkeit, Selbstwirksamkeit sowie Zuversicht und Hoffnung.
Wenn Interesse und Bedarf bestehen, unterstützen wir dich gerne. Reden wir darüber! Unsere Angebote zu diesem Themenbereich:
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