Kritisch denken

Ui zwick ist das kompliziert!

Wer die Grundlagen beherrscht hat es einfach(er)

Autoren: Manfred Hofferer & Team Bildungspartner Österreich, © BPÖ 2023

Kritisches Denken ist heute (warum könnte man als kritischer Menschen fragen, eigentlich erst heute?) in vieler Munde und mehr denn je eine wesentliche Kompetenz, die dem Menschen nicht nur dabei hilft, Informationen zu analysieren, Sachlagen zu verstehen, Probleme zu lösen, sondern auch fundierte Meinungen zu entwickeln und tragfähige Entscheidungen zu treffen. Fakt ist, kritisch Denken ist eine hoch komplexe kognitive Kompetenz, die auf verschiedenen Grundlagen aufbaut und zusammengesetzt ist und im Laufe des Lebens erworben und - so Frau, Mann und Divers dranbleibt - verbessert wird. Und ebenso Fakt ist, dass diese Grundlagen entscheidend dafür sind, ob kritisches Denken überhaupt möglich ist.

 

Wissensaufnahme: Das basalste Element, um sich Wissen aneignen und kritisch Stellung nehmen zu können, ist, dass die Person sich interessiert und in der Lage ist die neuen Informationen zunächst als »Neue Informationen« anzunehmen, ohne diese durch die eigenen Verstehens-, Glaubens- und Plausibilitätsfilter zu jagen und darauf aufbauend einzuschätzen, zu bewerten und als Grundlage für bspw. Handeln heranzuziehen.

 

Inhaltliche Distanz: Damit ist gemeint, dass die Person in der Lage sein muss, die neue Information als neutrale Gegebenheit bzw. zunächst bspw. als Theorie mit Regeln Wirkungen und Grenzen zu erkennen, die im Augenblick nichts mit der Person selbst zu tun hat. Dadurch wird die neue Information zum Arbeitsgegenstand, der geprüft werden kann. Dieses Auseinanderhalten können zwischen der Person und der sachlichen Betrachtung des Gegenstands des Interesses ist eine wichtige Grundbedingung für die Entwicklung kritischen Denkens.

 

Spiel mit der Logik: Für die inhaltliche Prüfung des jeweiligen Gegenstandes braucht es einen Werkzeugkoffer, der gefüllt ist mit Instrumenten des logischen Denkens. D. h., dass die Person in der Lage sein muss, um bspw. Argumente - unabhängig von den eigenen Präferenzen und Vorlieben - auf ihren Informationsgehalt ihre Gültigkeit und Kohärenz betrachten und prüfen zu können sie diese Instrumente zum Einsatz bringen können muss: Bspw. »Zwei Prämissen (bis unendlich) und eine Konklusion ergeben einen Schluss und der ist entweder wahr oder falsch« (Alle Menschen sind sterblich (P1). Sokrates ist ein Mensch (P2). Also ist Sokrates sterblich (K). Anders ist das, wenn es heißt: „Wenn die Straße nass ist, muss es vorher geregnet haben (P1). Die Straße ist nass (P2). Deshalb hat es vorher geregnet. (K)“ Das weist zwar eine korrekte Schlussfolgerung auf, in Wahrheit ist aber unbekannt, ob der Schluss „deshalb hat es vorher geregnet“ richtig ist, da die Prämisse falsch ist. Der Grund dafür ist, dass es noch eine ganze Reihe andere Gründe geben kann, durch welche die Straße nass geworden ist, etwa indem diese mittels eines Gartenschlauchs befeuchtet wurde.

 

Informationskompetenz: Des Weiteren ist es, noch bevor kritisches Denken angestellt wird, eigene Schlussfolgerungen gezogen und rational-logische Ableitungen getätigt werden, nicht hinderlich, wenn Kenntnisse zu den Informationsquellen und dem z.B. historischen Kontext gegeben sind und diese von der kritisch denkenden Person bzgl. ihrer Qualität eingeschätzt werden kann. Eine gute Kompetenz zu Recherche, das Finden, Einordnen und Auswählen von Informationen erleichtert das nachfolgende kritische Denken enorm.

 

Erst wenn diese vier Bedingungen gegeben sind, ist es sinnvoll dazu überzugehen eine Sache, einen Umstand, eine Gegebenheit bzw. Entwicklung oder einen Vorgang selbst oder gemeinschaftlich kritisch zu betrachten, im Detail zu analysieren, zu (über-) prüfen und sich darauf aufbauend eine Meinung mit belastbaren Argumenten zu entwerfen, die für oder gegen die Sache sprechen, mit der man sich gerade beschäftigt. In jedem Fall produzieren derart entwickelte logische und starke Argumente auf der einen Seite eine für alle nachprüfbare Aussage, die klar ihre Wahrhaftigkeit zeigt und auf der anderen Seite zieht es ein gutes und Sicherheit gebendes eigenes Gefühl nach sich. 

 

In diesem Sinne, ich weiß, dass das, was ich weiß, nicht der Weisheit letzter Schluss ist und mein Wissen immer nur ein von mir gebildetes vorläufiges Konstrukt darstellt das ständig neu infrage gestellt und überprüft werden muss. Und damit es nicht vergessen wird: Diese Logik wird nicht mit Rätsel, Denksportaufgaben, Zahlenspielen, Puzzles oder Logiktests u.a. - wie sie zuhauf im Internet zu finden sind und propagiert werden - entwickelt, sondern brauchen die konkrete Beschäftigung mit unterschiedlichen Fragestellungen und Problemlagen, die gelöst werden sollen. Dabei geht es dann um die Analyse von Argumenten, die Untersuchung, ob etwas und unter welchen Bedingungen es wahr oder falsch ist, die Überprüfung von Theorien, die Nachschau ob Schlussfolgerungen stimmig und zulässig sind, ob logische Systeme diese Bezeichnung verdienen und vor allem die vertiefte Auseinandersetzung und Beschäftigung mit Begriffen und deren Verstehensweisen und Anwendung.

 

Für die Bildungsarbeit mit Jugendlichen und Erwachsenen bedeutet das, wenn kritisches Denken gefördert werden soll, dass in den Bildungsangeboten immer wieder explizit und transparent zumindest an und mit diesen vier Elementen gearbeitet werden muss. Wenn Interesse und Bedarf bestehen, bearbeiten wir dieses Thema gerne vertieft in unseren Ausbildungsangeboten. Reden wir darüber:


Ohren auf!