Erlebniszeit

Aus mit Erlebnis

Und jetzt?!

Autoren: Manfred Hofferer & Team Bildungspartner Österreich, © BPÖ 2023

In den vergangenen zwei Jahrzehnten hat sich die sogenannte "Erlebnisgesellschaft", ein Begriff, der ursprünglich von dem deutschen Soziologen Gerhard Schulze in den 1990er Jahren geprägt wurde, als zentrale Kraft in der globalen Kultur etabliert. Sie bezeichnet eine Gesellschaftsform, in der vor allem das Streben nach individuellen Erlebnissen und emotionalen Erfahrungen primär im Vordergrund steht. Zunehmend lauter werden aktuell die Stimmen, die vom "Ende der Erlebnisgesellschaft" sprechen. Was bedeutet das konkret, und welche Implikationen könnte ein solcher Wandel für unser individuelles und kollektives Leben haben?

 

Ein Blick zurück: In der Hochphase des Primates des Erlebnisses drehte sich alles rund um das individuelle Erleben. Konsum, Freizeitgestaltung, Urlaub und sogar Bildung und Arbeit waren zunehmend vom Begriff des Erlebnisses eingefärbt und durchsetzt, und manche und mancher sah überhaupt nur mehr den Sinn im Wert des andauernden guten Erlebnisses. Einzigartige, maßgeschneiderte und nicht selten verrückt-luxuriöse Spiel-, Fun- und Actionangebote in, mit und rund um die Natur standen hoch im Kurs. Diese Entwicklung wurde begleitet von einer Zunahme an Technologien, die es immer rascher möglich gemacht haben, immer neue Naturräume zu erschließen und die von fast täglich neuen Sensationen getriebene Erlebnis- und Natureventkultur weiter zu intensivieren, einer immer breiteren Öffentlichkeit zugängig zu machen, die dort generierten Erlebnisse in den sozialen Netzwerken zu teilen und die Aktivitätsmöglichkeiten immer weiter zu spezifizieren, zu individualisieren und auszubeuten.

 

Schaut man heute genauer hin, dann zeigen die jüngsten Trends und Entwicklungen, dass die Erlebnisgesellschaft, ihre Inhalte und Ziele an immer mehr Stellen zu bröckeln beginnt. Umweltkrisen, soziale Ungleichheit, politische Polarisierung, die globale Pandemie und nicht zuletzt die kriegerischen Entwicklungen haben in der vor allem jungen Gesellschaft in relativ rascher Zeit zu einem erheblichen Umdenken geführt. Zunehmend deutlicher gewinnt die Suche nach Sinn, Gemeinschaft und Nachhaltigkeit, Verlässlichkeit und Vertrauen an Bedeutung, und stellt das individualistische, ego- und konsumorientierte Modell der bislang dominierenden Erlebnisgesellschaft heftig in Frage. Damit verbunden spürt man rundherum an vielen Stellen eine Art "Erlebnismüdigkeit" und die Sehnsucht und Suche der Menschen nach tieferen, langfristigeren und bedeutungsvolleren Formen des Glücks und der Zufriedenheit.

 

Aktuell ist es sicher noch nicht so weit, dass von einem Ende der Erlebnisgesellschaft gesprochen werden kann, aber unübersehbar hat eine unumkehrbare Transformation eingesetzt, die sich in Richtung Gesellschaft entwickelt, die zwar das Erlebnis schätzt, aber dieses nachhaltiger, bewusster und gemeinschaftsorientierter gestaltet haben möchte. In dieser sich ankündigenden neuen Phase steht die Qualität über der Quantität, und in der ist das Wohlergehen der Einzelnen eng und untrennbar mit dem der Gemeinschaft und der Umwelt verbunden.

 

Das sich abzeichnende Ende der seichten und leichten Erlebnisgesellschaft und ihrer Aktivitäten und Angebote markiert nicht das Ende von Erlebnissen oder der Freude und lustvollen Betätigung per se, sondern ist eher als eine deutliche Verschiebung in den Werten zu verstehen, welche die Suche nach echten Sinnerlebnissen leiten. Gefragt ist heute immer häufiger das über die Erlebnisse hinausgehende Sammeln von belastbaren Erfahrungen, um aus diesen selbst und miteinander eigenständig Erkenntnisse abzuleiten. Dabei spielen begleitend das Nachdenken und die Reflexion darüber, was wirklich von Freizeit- und Berufsaktivitäten wie auch dem Leben als solches erwartet werden kann und soll, und, wie ein zukunftsfähiges und erfüllendes Gesellschaftsgefüge und eine gerechte Gesellschaftsordnung gebaut und geschaffen werden könnten, eine entscheidende Rolle und Bedeutung.

 

In diesem Sinne, es bleibt spannend zu beobachten, wie sich unsere Gesellschaft in diesen Bereichen in den kommenden Jahren weiterentwickeln wird. Fest steht jedoch, wie so häufig in der Geschichte, ein Zurück geht nicht mehr. Wenn Interesse und Bedarf bestehen, bearbeiten wir dieses Thema gerne vertieft in unseren Ausbildungsangeboten. Reden wir darüber:


Ohren auf!