Die Seminareröffnung

Los geht´s

Begrüßen. Begeistern. Bestärken.

Autor: Manfred Hofferer & Team Bildungspartner Österreich, © BPÖ 2025

Wer der Meinung ist, eine Seminareinleitung ist bloß eine kurze Begrüßung, Information und Orientierung über die kommende Bildungseinheit, irrt. Profis wissen, dass eine gelungene Seminareröffnung weit mehr ist als das – sie legt den Grundstein für den gesamten nachfolgenden Arbeits- und Lernprozess. Wer von Anfang an eine positive, motivierende Atmosphäre schafft, aktiviert Teilnehmende und stimmt sie sehr viel besser auf das Seminarthema und die anstehende Lernarbeit ein.

 

Welche pädagogischen Grundlagen braucht es, um den Auftakt professionell umsetzen zu können? Dabei geht es nicht nur um klassische Didaktik und Methodik, sondern immer auch um Motiv- und Motivationstheorien, kommunikative Kompetenzen, den passenden Umgang mit Gruppendynamik genauso wie um den Einsatz von Medien und Material. Im Folgenden eine Übersicht über zentrale pädagogische Fachbereiche, deren Grundlagen Profis bekannt sein sollten und die Grundlage dafür sind, um speziell für die Planung einer lernfördernden und motivierenden Seminareröffnung vorbereitet zu sein. Nachfolgend die wichtigsten Fachbereiche, worauf in der Einleitungsphase besonders zu achten ist und wie dieses Wissen umgesetzt werden kann.

 

Fachbereich Didaktik und Methodik

 

Theoretischer Hintergrund: Kognitivismus (Edward Tolman, Kurt Lewin, Jerome Bruner). Die Planung von Lernzielen und die Auswahl geeigneter Methoden, die sich auf kognitive Prozesse (Informationsverarbeitung, Strukturierung etc.) auswirken, sodass Lernende das neue Wissen gezielt aufnehmen und verarbeiten können.

 

Fokus in der Seminareröffnung

  • Klar formulierte Lernziele und Relevanz des Themas kommunizieren
  • Methode zur Aktivierung zu Beginn auswählen (z. B. Einstiegsszenario, kurzes Brainstorming)
  • Lernweg und Struktur aufzeigen

Beispiele praxisnahe Anwendung

  • Begrüßung mit kurzen, klaren Zielen („Nach diesem Seminar kennen, wissen, können Sie…“)
  • Offene Fragen an die Gruppe stellen, um Vorwissen, Zusammenhänge, Motive oder Erwartungen zu ermitteln
  • Passende Einstiegs- oder Kennenlernmethode (z. B. „Speed Dating“ mit Fragen zum Thema) einsetzen

Fachbereich pädagogische Psychologie (Motiv & Motivation)

 

Theoretischer Hintergrund: Selbstbestimmungstheorie (Richard M. Ryan und Edward L). Verständnis, wie intrinsische Motivation gefördert werden kann, indem Autonomie, Kompetenz und Zugehörigkeit angesprochen werden.

 

Fokus in der Seminareröffnung

  • Neugierde wecken und anfängliche Aufmerksamkeit sichern
  • Positive Erwartungs- und Arbeitshaltung aufbauen
  • Individuelle Motive und Motivationen berücksichtigen

Beispiele praxisnahe Anwendung

  • Einsatz von „Cliff-Hanger“-Informationen (z. B. faszinierende Fakten, eine kleine Anekdote, überraschende Statistik)
  • Betonen des Praxisbezugs, damit Teilnehmende den persönlichen Nutzen erkennen
  • Kurze Aktivierungsaufgaben, die Neugier erzeugt und den Lerninhalt anteasert

Fachbereich Erwachsenenbildung / Erwachsenenpädagogik

 

Theoretischer Hintergrund: Konstruktivismus (Rolf Arnold, Gerd Mietzel, Horst Siebert). Erwachsene bauen neues Wissen auf ihrem bestehenden Wissen und Erfahrungen auf und konstruieren Bedeutung in Interaktion mit ihrer Lebenswelt.

 

Fokus in der Seminareröffnung

  • Anknüpfen an Vorerfahrungen und dem Lebens- oder/und Berufsalltag
  • Eigenständigkeit, Selbstverantwortung und Lebensrealität Erwachsener respektieren
  • Offenlegen der Wirkung und des Nutzens des Seminarthemas

Beispiele praxisnahe Anwendung

  • Gemeinsame Interessensabfrage: „Was möchten Sie wissen bzw. konkret mitnehmen?“
  • Raum für Austausch (z. B. kurze Vorstellungsrunde mit Bezug zum Seminarinhalt)
  • Verweis auf konkrete Anwendungsszenarien im (Lebens- und Berufs-) Alltag

Fachbereich Kommunikationswissenschaft / Rhetorik

 

Theoretischer Hintergrund: Soziokulturelle Lerntheorie (bzw. kommunikative Ansätze, Claude E. Shannon und Warren Weaver, Paul Watzlawick). Wissen wird durch Interaktion und Dialog weitergegeben und gestaltet. Die kommunikative Komponente ist dabei entscheidend, um gemeinsames Verstehen zu ermöglichen.

 

Fokus in der Seminareröffnung

  • Klarheit und Verständlichkeit in Sprache und Auftreten
  • Positives Klima durch Körpersprache, Dynamik im Raum und Stimme
  • Individuellen und kollektiven Zuhörenden-Kontakt herstellen

Beispiele praxisnahe Anwendung

  • Direkte Ansprache der Teilnehmenden mit Blickkontakt
  • Freundliche, offene Körperhaltung in der Begrüßung
  • Sprechtempo, Lautstärke und Tonlage bewusst steuern, um eine motivierende Atmosphäre zu schaffen

Fachbereich Gruppendynamik und Sozialpsychologie

 

Theoretischer Hintergrund: Soziales Lernen bzw. Soziokulturelle Theorien (Kurt Lewin und Jacob Moreno, Albert Bandura, Antons, Klaus). Lernen erfolgt in Gruppen über Beobachtung und Interaktion. Der soziale Kontext spielt eine wichtige Rolle für die Motivation und den Wissenstransfer.

 

Fokus in der Seminareröffnung

  • Angenehme Lernatmosphäre von Anfang an sicherstellen
  • Teilnehmende „abholen“ und gruppenbildende Prozesse anstoßen
  • Berücksichtigung unterschiedlicher Rollen, Aufgaben und Erwartungen in der Gruppe

Beispiele praxisnahe Anwendung

  • Kurze Eisbrecher-Aufgaben für eine offene Atmosphäre („Was war Ihr letzter Aha-Moment in diesem Themengebiet?“)
  • Gemeinsam konstruktive Regeln formulieren (z. B. Umgang mit Fragen, Pausen, Feedback u. ä.)
  • Wertschätzender Umgang: Jede Meinung zählt und wird respektiert

Ein weiterer relevanter Fachbereich, der bei der Seminareröffnung immer noch übersehen wird, aber für eine moderne und ganzheitliche Seminar-, Trainings- oder Workshopgestaltung von Bedeutung ist, ist die Medienpädagogik. Gerade wenn bei der Seminareröffnung (und im weiteren Seminarverlauf) digitale Tools oder Online-Live-Plattformen zum Einsatz kommen, ist es wichtig, diese zielgerichtet und lernförderlich einzusetzen.

 

Fachbereich Medienpädagogik

 

Theoretischer Hintergrund: Konnektivismus (Edward Tolman, Kurt Lewin, Jerome Bruner). Auch in digitalen Lernumgebungen geht es um den Austausch und die Vernetzung von Lernenden und Wissen. Lernende erweitern ihr Know-how durch kollektive Wissensprozesse mithilfe digitaler Werkzeuge.

 

Fokus in der Seminareröffnung

  • Sinnvoller Einsatz digitaler Tools von Anfang an (z. B. Umfragetools, Präsentationskamera, digitale Whiteboards)
  • Transparente Einführung in Plattformen und Formate, die im Seminar verwendet werden
  • Klärung von Grundsätzen zu Datenschutz und Netiquette (bei Online-Live-/Hybrid-Settings)

Beispiele praxisnahe Anwendung

  • Netiquette und Datenschutz klären: Regeln für den Umgang miteinander und Datensicherheit transparent machen, um Vertrauen zu schaffen und Unsicherheiten abzubauen
  • Leitfaden oder Tutorial (z. B. Video-Anleitung), damit alle Teilnehmenden sich sicher im Tool bewegen können
  • Digitale Vorstellungsrunde (z. B. mit Avataren oder Kollaborationsboards), um erste Hürden abzubauen
  • Kurze Live-Umfrage zum Einstieg (bspw. per Smartphone), um die Teilnehmenden mit interaktiven Elementen einzubinden

Diese sechs Fachbereiche greifen in der Praxis eng ineinander und bedingen sich gegenseitig. Wer ein Seminar professionell eröffnen möchte, muss darüber Bescheid wissen, die fachlichen Hintergründe kennen und über die nötigen methodischen Kompetenzen verfügen, um die Struktur, die Ziele und die Art der Arbeit miteinander klar zu vermitteln. Gleichzeitig kommt es wesentlich darauf an, mit psychologischen Konzepten vertraut zu sein, welche die Motivation, den Umgang miteinander und die Lernbereitschaft anregen.

 

Dieser Prozess wird zudem durch den erwachsenenpädagogischen Ansatz (Andragogik) unterstützt, der u. a. die Lernbiografien, Erfahrungen und Bedürfnisse der Teilnehmenden berücksichtigt. Eine gekonnte Kommunikation schafft dann sowohl inhaltlich als auch zwischenmenschlich die Grundlage für Kooperation, Offenheit und fachlichen Austausch. Schließlich tragen das Wissen und das Verständnis von Gruppendynamik dazu bei, die Teilnehmenden als Teil einer lernenden Gemeinschaft zu begreifen und eine aktive Zusammenarbeit vorzubereiten und aufzubauen.

 

Unter Berücksichtigung dieser fachlichen Aspekte erhöht sich die Wahrscheinlichkeit enorm, dass eine motivierende Seminareröffnung, die gleichzeitig Klarheit, Wertschätzung und Aktivierung bietet, entsteht – die beste Basis für nachhaltiges Lernen. Wer diese pädagogischen Fachbereiche inhaltlich kennt und in der Planung berücksichtigt, legt den Grundstein für einen Seminarstart, der die Lernenden motiviert, ihnen Sicherheit in Bezug auf Ablauf und Ziele gibt und eine lernfördernde Umgebung schafft.

 

Wenn Interesse und Bedarf bestehen, unterstützen wir dich gerne. Reden wir darüber! Unsere Angebote zu diesem Themenbereich:


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