Gefragte Kompetenzen

Was braucht die Zukunft?

Fokus der österreichischen Wirtschaft

Autor Manfred Hofferer & Team Bildungspartner Österreich, © BPÖ 2025

Dieser Lesebeitrag ist ein Destillat unserer Gespräche mit Wirtschaftstreibenden in den letzten Monaten rund um das Thema Lehre und Lehrlinge und was von ihnen erwartet wird. Sie haben folgende Ergebnisse gebracht: In einer zunehmend digitalisierten und von Veränderung geprägten Arbeitswelt stehen keinesfalls hauptsächlcih fachliche Kompetenzen im Vordergrund.

 

Personalverantwortliche, Ausbildungsverantwortliche in Betrieben sowie überbetriebliche Bildungseinrichtungen richten ihren Blick vermehrt auf personale, emotionale und soziale Kompetenzen. Gerade in der dualen Ausbildung zeigt sich, dass neben beruflichem Können auch die sogenannte "berufliche Reife" erwartet wird. Damit ist die Kompetenz gemeint, sich im betrieblichen Alltag angemessen zu verhalten, Verantwortung zu übernehmen, Rückmeldungen einzuordnen und eigenständige Entscheidungen zu treffen. Das zeigt sich unter anderem in der Kompetenz, sich selbst zu organisieren, mit anderen klar zu kommunizieren und Herausforderungen im Arbeitsumfeld bestmöglich eigenständig anzunehmen zu bewältigen.

 

Personale Kompetenzen: Selbstverantwortung und Zielorientierung

 

Unter personalen Kompetenzen versteht man grundlegende Eigenschaften, die das eigene Verhalten betreffen. Im betrieblichen Alltag von Lehrlingen sind vor allem Verlässlichkeit, Eigenverantwortung und Lernbereitschaft gefragt. Arbeitgebende achten bereits bei Bewerbungsgesprächen auf Auftreten, Umgang mit Rückfragen oder die Kompetenz, über den eigenen Werdegang zu reflektieren. Später zeigt sich personale Kompetenz vor allem darin, wie mit Kritik umgegangen wird oder ob gesetzte Aufgaben auftragsgemäß und sorgfältig selbstständig bearbeitet werden können.

 

Ein Beispiel aus der Praxis: Eine angehende Bürokauffachkraft erhält die Aufgabe, ein einfaches Ablagesystem für die Abteilung zu überarbeiten. Wer über gute personale Kompetenzen verfügt, geht strukturiert an die Sache heran, holt gegebenenfalls Rückmeldungen ein und kann Entscheidungen begründen. Wer diese Kompetenzen noch nicht entwickelt hat, wartet womöglich auf genaue Anweisungen – ein Verhalten, das im betrieblichen Alltag auf wenig Verständnis trifft.

 

Emotionale Kompetenzen: Selbstregulation und Empathie

 

Emotionale Kompetenzen umfassen den bewussten Umgang mit den eigenen Gefühlen sowie das Wahrnehmen und Verstehen der Emotionen anderer. Im Unterschied zu sozialen Kompetenzen, die stärker auf das zwischenmenschliche Verhalten abzielen, beziehen sich emotionale Kompetenzen auf die innere Steuerung und das eigene Erleben im Umgang mit herausfordernden Situationen. In der Zusammenarbeit mit Kolleginnen und Kollegen sowie Kundinnen und Kunden sind diese Kompetenzen schon in der Ausbildung entscheidend. Fehlende emotionale Reife zeigt sich zum Beispiel in übermäßiger Kränkbarkeit, Demotivation, Widerspenstigkeit oder impulsivem Verhalten.

 

Lehrlinge, die emotionale Kompetenzen mitbringen, können beispielsweise mit Frustrationen besser umgehen – etwa, wenn eine Aufgabe nicht auf Anhieb gelingt oder ein Hinweis von Vorgesetzten als scharf empfunden wird. In Dienstleistungsbranchen ist emotionale Stabilität besonders gefragt: Wer im direkten Kundenkontakt arbeitet, muss auch mit ungeduldigen oder verärgerten Personen konstruktiv umgehen können.

 

Ein Beispiel: In einem Hotelbetrieb wird ein Lehrling von einem Gast kritisiert. Die Reaktion des Lehrlings entscheidet über die Bewertung durch die Ausbildungsverantwortlichen. Emotional kompetente Personen bleiben sachlich, entschuldigen sich gegebenenfalls für das Problem und versuchen, gemeinsam eine konstruktive Lösung zu finden.

 

Soziale Kompetenzen: Zusammenarbeit und Kommunikation

 

Soziale Kompetenzen beschreiben die Kompetenz, mit anderen Menschen konstruktiv zu interagieren. Dazu zählen Kommunikationsstärke, Teamkompetenz, Konfliktkompetenz und ein respektvoller Umgang. Gerade in Lehrberufen, in denen Teamarbeit ein zentraler Bestandteil ist – etwa in der Gastronomie, im Einzelhandel oder im Baugewerbe – sind soziale Kompetenzen ein nicht verhandelbarer Bestandteil beruflicher Alltagstauglichkeit.

 

In einem Tischlereibetrieb etwa arbeiten Lehrlinge oft gemeinsam an Werkstücken – eine Situation, die im Berufsalltag vieler Berufe regelmäßig vorkommt, da viele Arbeitsschritte Teamkoordination erfordern und nicht allein ausführbar sind. Wer in der Lage ist, sich abzustimmen, Anregungen zu geben und Kritik anzunehmen, integriert sich rascher in den Arbeitsprozess. Lehrlinge, die sich dagegen zurückziehen, Schwierigkeiten nicht ansprechen oder nur passiv teilnehmen, benötigen in jedem Fall von Anfang an intensivere pädagogische Begleitung.

 

Erwartungshaltung der Wirtschaft: Soziale Reife

 

Nahezu alle unsere Gespräche zeigen ein einheitliches Bild: Betriebe erwarten von angehenden Lehrlingen nicht nur Fachkenntnisse, sondern vor allem Reife im Verhalten und im Umgang mit anderen. In Bewerbungsverfahren und -gesprächen, bei Schnuppertagen oder Eignungstests wird daher besonderes Augenmerk auf persönliche Wirkung, Kommunikationskompetenz und Umgang mit Stress gelegt.

 

Personalverantwortliche unterstreichen, dass es weniger auf perfekte schulische Leistungen ankommt als auf die Kompetenz, sich selbst im Griff zu haben, mit anderen zusammenzuarbeiten, sich zu motivieren und mit Rückschlägen umzugehen. Besonders betont wird dabei die Bedeutung des „Mitdenkens“ – also der Kompetenz, das eigene Handeln in einen größeren betrieblichen Zusammenhang stellen zu können.

 

Ausblick

 

Wichtig zu verstehen ist, dass die genannten Schlüsselkompetenzen sich nicht isoliert trainieren und schulen lassen. Sie entwickeln sich über alltägliche Beziehungserfahrungen, Vorbilder und Reflexion – sowohl im privaten wie auch im schulischen und beruflichen Umfeld. Für Ausbildungsbetriebe bedeutet das, den Blick und Fokus noch sehr viel stärker auf die Entwicklung dieser Qualifikationen zu richten und auch entsprechende pädagogische Begleitung bereitzustellen.

 

Für der Wirtschaft vorgelagerter Bildungseinrichtungen ergibt sich daraus die Notwendigkeit, die Persönlichkeitsentwicklung als fixen Bestandteil frühzeitiger beruflicher Qualifizierung zu begreifen. Das kann unter anderem durch reflexionsorientierte Aufgaben, kooperative Lernformate oder durch gezielte Rückmeldungen zu sozialen Verhaltensweisen im Unterricht unterstützt werden. Lehrlinge wiederum muss sehr viel deutlicher zur Kenntnis gebracht und veranschaulicht werden, dass beruflicher Erfolg nicht allein vom Wissen abhängt, sondern ganz wesentlich von der Kompetenz, mit anderen und mit sich selbst gut umgehen zu können.

 

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