
Das Lehrgespräch
Mehr als nur miteinander reden
Autor Manfred Hofferer & Team Bildungspartner Österreich, © BPÖ 2025
In den heutigen Ausbildungen geht es schon lange nicht mehr nur darum, bloß Wissen zu vermitteln. Ausbilderinnen und Ausbilder wissen: Wer wirklich lernen will, muss selbst aktiv werden! Eine der ältesten und immer noch effektivsten Methoden, um genau das zu erreichen, ist das Lehrgespräch. Und zunehmend mehr Lehrende fragen, weil es fast in Vergessenheit geraten ist: Was genau ist das und warum ist es so wertvoll?
Das Lehrgespräch?
Ein gut vorbereitetes und geführtes Lehrgespräch ist eine Methode, die frontal-monologische Vorträge, bei denen die Lernenden nur (passiv) zuhören, weit hinter sich lässt. Das Lehrgespräch ist vielmehr ein gelenkter Dialog zwischen Ausbildenden und Lernenden. Es ist kein klassischer Vortrag und auch kein reiner Lehrimpuls, sondern ein fragend-entwickelnder Austausch, bei dem die Lerninhalte von Lehrenden und Lernenden gemeinsam erarbeitet werden. Im Kern stehen von Lehrenden gezielt gestellte Fragen, die primär dazu anregen, dass die Lernenden selbstständig denken, Zusammenhänge erkennen und Lösungen finden.
Ziel ist die aktive Beteiligung der Lernenden und das gemeinsame Erarbeiten von Inhalten. Die wichtigsten Merkmale sind:
- Zielorientiert: Ein klar umrissenes Thema wird gemeinsam bearbeitet.
- Strukturiert: Der Gesprächsverlauf folgt einem Leitfaden.
- Fragend-entwickelnd: Lehrende steuern durch gezielte Fragen.
- Interaktiv: Die Lernenden bringen Vorerfahrungen und eigenes Vorwissen in die Themenerarbeitung ein.
- Kognitive Aktivierung: Lernende werden zum eigenständigen und kritischen Denken angeregt.
Warum ist das Lehrgespräch so effektiv?
Die Stärke des Lehrgesprächs liegt – wenn gut gemacht – in seiner Kraft, die Lernenden von passiven Zuhörenden und Aufnehmenden zu aktiven Mitgestaltenden des Lernprozesses zu machen:
- Wissen erarbeiten, nicht nur konsumieren: Inhalte werden nicht einfach präsentiert, sondern gemeinsam „erarbeitet". Das führt zu einem tieferen Verständnis, da die Lernenden die Lernziele selbst entdecken.
- Aktivierung statt Berieselung: Anstatt nur Informationen aufzunehmen, müssen Lernende beim Lehrgespräch aktiv mitdenken, formulieren und begründen. Das fördert die Aufmerksamkeit, die Argumentationslogik und die Verankerung des Wissens.
- Anknüpfung an Vorwissen: Gute Lehrende beginnen dort, wo die Lernenden stehen. Das Lehrgespräch baut auf vorhandenem Wissen und bestehenden Erfahrungen auf, was das Lernen erleichtert und vor allem die Beteiligung und die Motivation steigert. Man sieht den „Aha-Effekt" förmlich in den Augen der Lernenden!
- Individualität zählt: Im Dialog können die Lehrenden viel besser auf individuelle Stärken und Schwächen der Lernenden eingehen und das Lerntempo und die Lerntiefe jederzeit anpassen.
- Förderung wichtiger Fertigkeiten und Kompetenzen: Neben dem reinen Fachwissen werden gleichzeitig Schlüsselkompetenzen wie kritisches Denken, Problemlösung, Kommunikation und Selbstständigkeit gefördert. Das ist wichtig für die spätere Übertragung in den Lebens- und Berufsalltag.
Wie läuft ein Lehrgespräch ab?
Typischerweise gliedert sich ein Lehrgespräch in vier Phasen:
- Einstiegsphase: Das Thema wird vorgestellt, Interesse geweckt, sensibilisiert, warum dieses Thema wichtig ist, und eine Brücke zu bereits vorhandenen Erfahrungen und Wissen geschlagen.
- Erarbeitungsphase: Das ist das Herzstück. Durch gezielte (Nach-)Fragen und Anregungen durch (Nach-)Denkimpulse und Perspektivwechsel werden die Lerninhalte Schritt für Schritt gemeinsam entwickelt.
- Kontroll- und Sicherungsphase: In dieser Phase wird zusammengefasst, was erarbeitet wurde, das Verständnis geklärt und die Erarbeitung vor der Frage „Sind alle offenen Fragen geklärt?“ überprüft.
- Anwendungs- und Übungsphase (optional): Die Verarbeitung und das Lernen sind zudem vertiefend, wenn eine Phase anschließt, in der das neu Gelernte direkt praktisch angewendet und vertieft werden kann.
Kurz gesagt: Das Lehrgespräch ist weit mehr als nur eine Unterrichtsmethode; es ist vielmehr eine Philosophie des Lehrens und Lernens. Es befähigt Lernende, nicht nur Wissen aufzunehmen, sondern es kritisch zu hinterfragen, eigenständig zu verarbeiten und entsprechend als Eigenes zu verinnerlichen. Wer im Berufsalltag wirklich bestehen will, braucht diese Kompetenz. Deshalb ist das Lehrgespräch ein unverzichtbarer Bestandteil einer hochwertigen Ausbildung.
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