Bildungsmarketing

Manipulative Werbestrategien

Probleme schaffen, um Lösungen zu verkaufen.

In der Bildungsbranche begegnet man aktuell wieder vermehrt einer Werbestrategie, die von verschiedenen Anbietenden eingesetzt wird. Dabei handelt es sich um die gezielte Dramatisierung von Schwierigkeiten oder Herausforderungen, um im Anschluss exklusive Lösungen zu präsentieren. Diese spezifische Werbestrategie, auch als „Problem-Agitation“ oder „Pain-Point-Marketing“ bezeichnet, lässt sich aktuell wieder vermehrt in verschiedensten Werbematerialien, Broschüren, Online-Auftritten und Socialmedia-Beiträgen beobachten.

 

Dabei wird zunächst gezielt ein Gefühl der Unsicherheit erzeugt, indem allgemeine und/oder alltägliche Probleme bzw. Unsicherheiten in der Bildungs- und Ausbildungswelt als besonders gravierend dargestellt und beschrieben werden. Erst nachdem das Problem ausreichend negativ unterstrichen wurde, folgt das eigentliche Angebot: ein Seminar, eine Fortbildung, ein Coaching oder Training, das verspricht, das Problem grundlegend zu lösen. Ziel dieser Strategie ist es (neben dem Abheben von Mitbewerbenden) immer, bei der Zielgruppe ein Gefühl der Dringlichkeit bzw. Unzufriedenheit zu erzeugen. Der Vorteil, der bei dieser Strategie genutzt wird, ist der Umstand, dass rasch die Aufmerksamkeit potenzieller Kundschaften gewonnen werden kann. Durch die Fokussierung auf sogenannte "Schmerzpunkte" und die Versprechung einer raschen und klaren Verbesserung wird eine starke emotionale Reaktion hervorgerufen, die vor allem die Konversion (Umwandlung Interessierter oder potenzieller Kundschaften in tatsächliche Kundschaften) zum Ziel hat.

 

Der Ursprung dieser Strategie liegt im klassischen Marketing, ist aber längst auch im pädagogischen Angebotsfeldern angekommen. Das Muster bleibt ähnlich: Die Darstellung eines Mangels oder eines Defizits, verbunden mit der Idee, dass viele Menschen oder Organisationen etwas Entscheidendes verpassen, wenn sie nicht handeln. Dieser Ansatz spricht gezielt Unsicherheiten bzw. Unzufriedenheiten an, die bspw. im Bereich der Soft Skills vorkommen. Kompetenzen wie Verlust der Lust am Lernen, fehlende Neugier, niedrige Kommunikationskompetenz, schlechtes Selbstmanagement oder fehlende Konfliktlösung werden als dramatische Umstände dargestellt, die dringend einer Optimierung bedürfen.

  • Ein Beispiel aus der Praxis: In Werbeanzeigen für Kommunikationsseminare liest man regelmäßig Formulierungen wie „Kommunikation im Team: das unterschätzte Risiko für Projekte“ oder „Warum viele an der Zusammenarbeit scheitern und wie man es richtig macht“. Dabei wird der Eindruck erzeugt, dass ohne professionelle Unterstützung zwangsläufig massive Konflikte und Misserfolge die Folge sind. Tatsächlich sind diese Themen relevant, doch der gewählte Tonfall verstärkt Unsicherheiten wo keine Unsicherheit notwendig ist, und irritiert mehr als das es zu Orientierung oder Verbesserung beiträgt.
  • Ein weiteres Beispiel betrifft Fortbildungen im Bereich Zeitmanagement. Werbebotschaften in diesem Kontext stellen nicht selten dar, dass ohne spezielle Methoden krankmachende Überforderung und Stress unvermeidlich sind. Ein einfaches Zeitproblem, wie es natürlicherweise täglich vorkommt, wird zum existenziellen Risiko überhöht, das nur durch die Buchung eines bestimmten Kurses gelöst werden kann. Die Botschaft lautet: Wer nicht handelt, gefährdet die eigene Entwicklung und Gesundheit und die der gesamte Organisation.

Dieser Drama-Mechanismus wirkt besonders in der Jugend- und Erwachsenenbildung, da hier Veränderungen im persönlichen und beruflichen Umfeld stetig gefordert sind. Gerade Lernende, die sich unsicher fühlen oder vor neuen Herausforderungen stehen, reagieren auf diese Form der Werbung mit gesteigertem Interesse. Aber diese Dramatisierung birgt enorme Risiken. Sie führt bspw. dazu, dass Lernende die eigenen Kenntnisse, Fertigkeiten und Kompetenzen unterschätzen oder durch die Werbung den Eindruck gewinnen, ohne externe Unterstützung nicht weiterzukommen. Damit ist der Gefahr der Abhängigkeit von immer neuen Angeboten Tür und Tor geöffnet.

 

Fachlich betrachtet zeigt sich, dass Menschen auf Unsicherheit und Bedrohung sensibel reagieren. Werbebotschaften, die gezielt Angst, Zweifel und Unsicherheit ansprechen, aktivieren spezifische emotionale Reaktionen, welche die situativ-rationalen Entscheidungen beeinflussen. Die Neurologie spricht dabei von der Aktivierung bestimmter Areale im Gehirn, die bei Unsicherheit oder Angst besonders aktiv werden. Pädagogisch gesehen widersprechen solche Strategien dem Ansatz, Lernende zu selbstbestimmtem Handeln zu befähigen. Statt Ressourcen und Stärken zu betonen, auf aktive Mitarbeit zu setzen und Eigenständigkeit zu fördern, wird der Fokus auf Defizite und Problemlagen und vor allem auf Abhängigkeiten von „Retterinnen und Rettern“ gelegt.

 

Eine konstruktive Alternative wäre es, Bildungsangebote so zu präsentieren, dass sie reale Herausforderungen anerkennen, jedoch gleichzeitig die bereits vorhandenen Kenntnisse, Fertigkeiten, Möglichkeiten und Kompetenzen der Lernenden sichtbar machen. Gute Praxisbeispiele zeigen, dass Angebote, die auf Wertschätzung und auf Eigenständigkeit aufbauende Entwicklungsperspektiven setzen, langfristig wirksamer sind und nachhaltige Veränderungsbereitschaft und Motivation fördern. So könnte z.B. ein Seminar zur Konfliktlösung auch so beworben werden, dass die bisherigen Erfahrungen und Kompetenzen der Teilnehmenden in die Themenerarbeitung einbezogen werden: „Gemeinsam vorhandene Stärken im Umgang mit Konflikten ausbauen und weiterentwickeln“.

Gerade im Bereich der Soft Skills ist eine realistische, auf wissenschaftlichen Erkenntnissen basierende und ausgewogene Ansprache potenzieller Interessenten von Vorteil. Diese sollte frei von der Überbetonung von "Schmerzpunkten" und damit verbundenen unrealistischen Glücksversprechen sein. Lernende sind grundsätzlich empfänglich für Angebote, die ihre Entwicklung fördern, und müssen im Vorfeld weder verunsichert noch geängstigt werden.

 

Ausblick

 

Ganz allgemein ist es für die Bildungsbranche entscheidend, verantwortungsvoll mit der Darstellung von Herausforderungen und (möglichen) Herangehensweisen und Lösungen umzugehen. Eine seriöse Kommunikation erkennt an, dass (1) die Ausgangslage immer differenziert ist und als solche differenziert betrachtet werden muss, dass (2) Lernende bereits über vielfältige Ressourcen verfügen und (3) beim weiteren Auf- und Ausbau ihrer Fertigkeiten und Kompetenzen gezielt unterstützt und begleitet, werden wollen.

 

Interessierte und potenzielle Kundschaften müssen Informations- und Werbeanzeigen sowie Social-Media-Beiträge, die gezielt auf Verunsicherung, Angst und Defizite abzielen, in jedem Fall kritisch auf ihre Substanz prüfen und, wenn Unklarheiten gegeben sind, explizit ablehnen. Es ist ratsam, stattdessen Bildungsangebote zu bevorzugen, die sich durch eine wertschätzende Grundhaltung auszeichnen, die Welt nicht in Schwarz-Weiß-Mustern darstellen und die Förderung von Autonomie und selbstständigem Lernen in den Vordergrund stellen.

 

Wer als Anbieter bzw. Anbieterin in der Informations- und Werbearbeit diesen Weg einschlägt, trägt wesentlich dazu bei, dass die Bildungsbranche langfristig an fachlicher Tiefe und Glaubwürdigkeit gewinnt. Gleichzeitig entsteht auf diese Weise Raum für eine offene, ressourcenorientierte Lern- und Veränderungskultur, in der die Entwicklung der eigenen Kenntnisse, Fertigkeiten und Kompetenzen als kontinuierlicher und vor allem selbstgesteuerter und selbstorganisierter Prozess verstanden wird. Transparente und ehrliche Informations- und Werbeansätze haben das Potenzial, nicht nur Interesse zu wecken, sondern schaffen vor allem Vertrauen, eine unverzichtbare Basis für die Unterstützung langfristiger Veränderungen.

 

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