Soziale Kompetenz stärken

Methode mit Struktur

Die Architektur sozialer Souveränität

Im Umgang miteinander in vernetzten und interaktionsintensiven sozialen Umwelten bilden soziale Kompetenzen das Fundament für beruflichen Erfolg und persönliche Zufriedenheit. Die Kompetenz, klar zu kommunizieren, eigene Interessen angemessen zu vertreten und stabile Beziehungen aufzubauen, zählt zu den meistgeforderten Soft Skills auf dem Arbeitsmarkt und im privaten Kontext. Während diese Kompetenz oft als angeborenes Talent missverstanden wird, weist die moderne Verhaltenspsychologie eindeutig darauf hin, dass sie systematisch erlern- und trainierbar ist.

 

Eine der etabliertesten und wissenschaftlich am besten fundierten Methoden dafür ist das Gruppentraining sozialer Kompetenzen (GSK), das von den Psychologen Rüdiger Hinsch und Ulrich Pfingsten entwickelt wurde. In diesem Beitrag ein Blick auf den hochstrukturierten Aufbau und die wirksame Methodik dieses Trainings und eine schemenhafte Illustration der Anwendung in der Jugend- und Erwachsenenbildung.

 

Die theoretischen Grundlagen des GSK

 

Das GSK basiert auf den Prinzipien der kognitiven Verhaltenstherapie. Der zentrale dortige Leitsatz lautet: „Soziales Verhalten ist das Ergebnis von Lernprozessen und kann daher auch durch neue Lernprozesse verändert werden.“ Soziale Unsicherheit und alles, was damit in Verbindung steht, wird nicht als unveränderliche Charaktereigenschaft, sondern als erlerntes Verhaltensmuster betrachtet, das durch gezieltes Training modifizier- und wandelbar ist.

 

Die Methode differenziert zwischen drei Verhaltensstilen in sozialen Interaktionen:

  1. Unsicheres Verhalten: Gekennzeichnet ist dieses Verhalten durch das Zurückstellen eigener Bedürfnisse, das Vermeiden von Blickkontakt und eine leise, zögerliche Sprechweise. Das Ziel, Konflikte zu vermeiden, führt in der Regel dazu, dass die eigenen Bedürfnisse, Wünsche und Rechte weitgehend unberücksichtigt bleiben.

  2. Aggressives Verhalten: In diesem Fall werden die eigenen Interessen rücksichtslos und auf Kosten anderer durchgesetzt. Das geschieht bspw. durch laute, fordernde Sprache, nonverbale Dominanz und die Missachtung der Gefühle des Gegenübers geschehen und in besonderen Formen auch in Form von körperlichen Übergriffen. Kurzfristig führt dieses Verhalten zum Ziel, langfristig schädigt es jedoch jede soziale Beziehung.

  3. Selbstsicheres (sozial kompetentes) Verhalten: Dieses Verhalten stellt den Idealzustand dar. Eigene Bedürfnisse, Meinungen und Gefühle oder Ideen werden klar und authentisch kommuniziert, während gleichzeitig die Rechte und Grenzen des Gegenübers respektiert werden. Diese Form ist die souveräne Balance zwischen Passivität und Aggressivität.

Um den Teilnehmern ein Werkzeug zur Analyse und Planung an die Hand zu geben, nutzt das GSK das sogenannte „kognitive Schema der sozialen Situation“. D.h., dass jede schwierige Interaktion anhand von drei Leitfragen betrachtet und analysiert wird: (1) Was ist mein Recht in dieser Situation? (2) Was ist mein konkretes Ziel? Und wie kann ich (3) die Beziehung zu meinem Gegenüber positiv und konstruktiv gestalten? Diese einfache und klare Struktur hilft, komplexe Situationen zu entwirren und eine bestmöglich selbstsichere Reaktion vorzubereiten. Das konkrete Training selbst fokussiert auf drei typische Situationsklassen: Recht durchsetzen (Typ R), Beziehungen gestalten (Typ B) und um Sympathie werben (Typ S).

 

Die Makrostruktur: Der Kursaufbau in drei Phasen

Das GSK ist nicht als einmaliger Workshop angelegt, sondern als ein prozessorientierter Kurs, der sich typischerweise über acht bis zwölf wöchentliche Sitzungen erstreckt. Diese doch recht langfristige Konzeption ermöglicht entsprechende Vertiefung und nachhaltige Verhaltensänderungen. Der Kursaufbau selbst gliedert sich in drei logische und aufeinander aufbauende Phasen.

 

Phase 1: Fundamentlegung und Psychoedukation (Sitzung 1 bis 2) Die ersten Sitzungen dienen der Herstellung einer vertrauensvollen und sicheren Gruppenatmosphäre. Im Anschluss an das Kennenlernen werden die grundlegenden Regeln der Zusammenarbeit erarbeitet und etabliert. Der entscheidende Teil dieser Phase ist die Psychoedukation: d. h., die Trainerinnen und Trainer vermitteln das zuvor skizzierte Verhaltensmodell und das kognitive Schema. Daran können die Teilnehmenden lernen, ihr eigenes Verhalten und das anderer zu analysieren und einzuordnen. Dieser Wissenstransfer ist fundamental, da er die Teilnehmenden von passiven Empfängerinnen und Empfängern zu aktiven Gestaltenden ihrer Lernprozesse macht. Im Anschluss formuliert jede Teilnehmende und jeder Teilnehmer ihre bzw. seine individuellen Trainingsziele.

 

Phase 2: Intensive Kompetenzerweiterung (Sitzung 3 bis10) Dieser Abschnitt ist das Herzstück des Trainings. In diesen Sitzungen werden die verschiedenen Situationsklassen (R, B, S) systematisch und vor allem praxisnah bearbeitet. Konkret widmet sich jede Sitzung einer spezifischen Fertigkeit, wie beispielsweise dem „Nein-Sagen“, dem Äußern von Wünschen oder dem Führen von Smalltalk. Der Fokus liegt ganz klar auf dem wiederholten Üben in geschütztem und begleitetem Rahmen, um neue Verhaltensmuster zu erleben, zu üben und zu automatisieren und die damit verbundene Unsicherheit aufzuweichen und abzubauen.

 

Phase 3: Konsolidierung und Transfer (Sitzung 11 bis 12) Die letzten Sitzungen dienen der Vertiefung und Festigung des Gelernten. Die Teilnehmenden ziehen Bilanz zu den Entwicklungen und Fortschritten im Abgleich mit den ursprünglichen Zielen. Ein weiterer zentraler Bestandteil in dieser Phase ist die Entwicklung von konkreten Strategien zur Rückfallprophylaxe. Dabei wird gemeinsam erarbeitet, wie die Teilnehmenden nach Beendigung des Trainings eigenständig mit irritierenden und schwierigen Situationen umgehen können. Der Fokus liegt hier auf der nachhaltigen Integration der neuen Kompetenzen in den Alltag, um eine dauerhafte Veränderung sicherzustellen.

 

Die Mikrostruktur: Der standardisierte Ablauf der Trainingssitzungen

 

Die hohe Wirksamkeit des GSK liegt auch in seinem standardisierten und transparenten Sitzungsablauf begründet. Die wiederkehrende Struktur gibt den Teilnehmern Klarheit, Sicherheit und Orientierung. Eine typische 90-minütige Sitzung folgt bspw. diesem Schema:

  1. Blitzlicht und Hausaufgabenbesprechung: Zu Beginn berichten die Teilnehmenden kurz von ihren Erfahrungen mit der „Transferaufgabe“ der Vorwoche. Diese regelmäßige Verknüpfung mit dem realen Alltag ist entscheidend für den Lernerfolg.

  2. Themeneinführung und Situationssammlung: Die Trainierenden führen nach dem Blitzlicht in das Thema der Sitzung ein und anschließend werden die Teilnehmenden gebeten, eigene, reale Beispiele aus ihrem Leben zu beschreiben, die sie als schwierig empfinden bzw. empfunden haben.

  3. Situationsanalyse: Aus den gesammelten Beispielen wird dann in Abstimmung mit den Teilnehmenden eine Situation für bspw. ein Rollenspiel ausgewählt. Gemeinsam wird die Situation mithilfe des kognitiven Schemas (Recht, Ziel, Beziehung) analysiert.

  4. Verhaltensübung im Rollenspiel: Der Teilnehmer bzw. die Teilnehmerin, dessen respektive deren Situation ausgewählt wurde, spielt diese mit einem Trainer oder einer Trainerin oder einem Gruppenmitglied durch. Dieses erste Rollenspiel dient zur Verhaltensdiagnose.

  5. Multimodales Feedback: Im Anschluss erhält der Teilnehmer bzw. die Teilnehmerin ein mehrdimensionales Feedback. Zuerst reflektiert er bzw. sie die eigene Leistung. Danach geben die Gruppenmitglieder und Trainerinnen und Trainer konstruktive Rückmeldungen zu verbalen und nonverbalen Aspekten. Gar nicht selten wird dafür Videofeedback eingesetzt, das eine besonders präzise und objektive Selbstwahrnehmung ermöglicht.

  6. Zweites Rollenspiel: Basierend auf dem Feedback wird die Szene erneut durchgespielt. Hier kann der Teilnehmer bzw. die Teilnehmerin die Verbesserungsvorschläge direkt umsetzen und den Unterschied im eigenen Erleben und in der Außenwirkung erfahren.

  7. Transferaufgabe und Abschluss: Zum Ende wird eine neue „Hausaufgabe“ formuliert, die darauf abzielt, die frisch geübte Fertigkeit in der kommenden Woche im Alltag anzuwenden. Eine kurze Abschlussrunde beendet die Sitzung.

Anwendungsbeispiel aus der Erwachsenenbildung: Recht durchsetzen im Beruf

 

Um die Methode noch besser zu veranschaulichen, dient folgendes Szenario aus einem Soft-Skill-Training für junge Führungskräfte: Eine Teamleiterin, Frau K., berichtet, dass ein erfahrener Mitarbeiter wiederholt gesetzte Deadlines ignoriert und ihre Arbeitsanweisungen vor dem Team infrage stellt. Sie fühlt sich untergraben, traut sich aber nicht, ihn klar zu konfrontieren, aus Angst, als autoritär wahrgenommen zu werden. Diese Situation fällt unter Typ R (Recht durchsetzen).

Im klassischen GSK-Ablauf würde das wie folgt bearbeitet werden:

  • Analyse: Die Gruppe analysiert die Situation mit Frau K. Ihr Recht ist es, als Führungskraft Anweisungen zu geben und auf die Einhaltung von Fristen zu bestehen. Ihr Ziel ist es, dass der Mitarbeiter die Deadlines zukünftig einhält und ihre Autorität respektiert. Die Beziehung soll dabei professionell und konstruktiv bleiben.

  • Erstes Rollenspiel: Frau K. spielt das Gespräch. Sie beginnt mit langen Rechtfertigungen, spricht im Konjunktiv („Könnten Sie vielleicht versuchen…“) und weicht dem Blickkontakt aus. Der Trainer in der Rolle des Mitarbeiters reagiert abweisend und das Gespräch verläuft mehr oder weniger im Sand.

  • Feedback: Die Gruppe spiegelt Frau K., dass ihre Körperhaltung und Wortwahl ihre eigentliche Botschaft untergraben. Das Videofeedback macht ihr die Diskrepanz zwischen dem Wunsch nach Klarheit und dem unsicheren Auftreten schmerzlich, aber hilfreich bewusst.

  • Coaching: Die Trainer erarbeiten mit ihr eine neue Strategie: Das Gespräch mit einer Ich-Botschaft beginnen („Mir ist aufgefallen, dass…“), klare Fakten benennen, eine unmissverständliche Erwartung formulieren („Ich erwarte von Ihnen, dass…“) und das Gespräch mit einer offenen Frage zur Lösungsfindung beenden („Was benötigen Sie, um das sicherzustellen?“).

  • Zweites Rollenspiel: Frau K. setzt die Vorschläge um. Sie sitzt aufrecht, hält den Blickkontakt und formuliert ihre Anliegen ruhig, klar und unmissverständlich. Der Rollenspielpartner reagiert nun kooperativer. Frau K. erlebt sich selbst als wirksam und souverän.

  • Transferaufgabe: Ihre Hausaufgabe ist, das Gespräch mit dem Mitarbeiter in der kommenden Woche genau nach dem geübten Schema zu suchen.

Dieses Beispiel verdeutlich, wie das GSK über bloßes Reden und Besprechen hinausgeht und durch konkretes, wiederholtes und kontrolliertes Handeln sowie gezieltes Feedback zu einer nachhaltigen Verhaltensänderung führt und Menschen Schritt für Schritt befähigt, ihre sozialen Interaktionen aktiv und selbstsicher zu gestalten.

 

Hinweis: Das Gruppentraining sozialer Kompetenzen wird in der Regel von Fachleuten aus psychologischen, psychotherapeutischen, medizinischen, pädagogischen und sozialen Berufsfeldern geleitet. Es gibt zwar kein spezifisches Gesetz, das die Durchführung auf diese Gruppen beschränkt, aber eine fundierte Grundausbildung und vertiefte Beschäftigung mit dem Konzept und der Methode gelten als wesentliche Voraussetzung. Die Berechtigung zur Durchführung ergibt sich also aus der Kombination einer relevanten beruflichen Qualifikation und einer gezielten Fortbildung, die sicherstellt, dass die Trainerinnen und Trainer über die notwendigen fachlichen Kenntnisse in der Materie und der Methode verfügen. Selbstgebastelt und auf das eigene Glaubenssystem angepasst ist keine gute Lösung! 

 

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HINWEIS: Für die sprachliche Glättung und stilistische Vereinfachung dieses Beitrags wurden KI-basierte Tools (ChatGPT 5, Gemini 2.5 Pro, Copilot) unterstützend eingesetzt. Alle inhaltlichen Aussagen, Studienverweise und Schlussfolgerungen wurden von dem Autor und der Autorin ausgewählt, geprüft und verantwortet. Die KI hatte keine Rolle bei der inhaltlichen Generierung oder Bewertung der Forschungslage.


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