Wertschätzungsfalle

Anerkennung

Sie allein schafft keine Motivation

In den Unternehmensführungen und Teamleitungen aber auch in der Bildungs- und Trainingsszene hat sich fest die Idee etabliert, dass Wertschätzung ein zentraler, einfacher und kosteneffizienter Hebel zur Steigerung von Motivation und Mitarbeitendenleistung und -führung ist. Die Logik dahinter scheint auf den ersten Blick plausibel: Anerkannte Mitarbeitende fühlen sich gesehen, sind zufriedener und engagieren sich aus diesem Grund stärker. Diese Annahme ist zwar im Kern nicht gänzlich falsch, in ihrer Simplizität jedoch eine unzulässige Verkürzung komplexer psychologischer Zusammenhänge.

 

Die Vorstellung, ein gelegentliches „Gut gemacht“ oder „Was würden wir ohne Sie tun!“ könnte grundlegende Defizite in der Arbeitsumgebung ausgleichen, ist in jedem Fall ein Trugschluss mit weitreichenden Folgen. Eine tiefergehende Betrachtung auf Basis etablierter motivationspsychologischer Modelle zeigt, dass Wertschätzung ihre Kraft erst in einem sorgfältig gestalteten Gesamtsystem entfaltet und ohne dieses Fundament nicht nur wirkungslos bleibt, sondern sogar kontraproduktiv wirken kann.

 

Das Fundament der Zufriedenheit: Hygienefaktoren als notwendige Grundbedingung

 

Eines der wichtigsten und grundlegendsten Modelle zum besseren Verständnis der Arbeitszufriedenheit ist die sogenannte Zwei-Faktoren-Theorie des Psychologen Frederick Herzberg. Seine Forschung führte zum Ergebnis, dass die Faktoren, welche Unzufriedenheit verursachen, nicht das Gegenteil davon sind, was Zufriedenheit und Motivation auslöst bzw. erzeugt. F. Herzberg unterscheidet zwei voneinander unabhängige Kategorien: (1) Hygienefaktoren und (2) Motivatoren.

  1. Hygienefaktoren sind die Faktoren, die alle grundlegenden Rahmenbedingungen, die mit Arbeit in Verbindung stehen umfassen. Dazu gehört das Gehalt, die Sicherheit des Arbeitsplatzes, die Einstellungen und die Unternehmenspolitik, die Art und Qualität der Führung, die zwischenmenschlichen Beziehungen zwischen Kolleginnen und Kollegen sowie den Vorgesetzten und auch die physischen Arbeitsanforderungen und -bedingungen. Der entscheidende Punkt bei diesen Wirkfaktoren ist, dass eine positive Ausprägung weder zu Motivation noch zu hoher Zufriedenheit führt, sondern lediglich einen Zustand der "Nicht-Unzufriedenheit" herstellt. Sind diese in Teilen oder im Gesamt mangelhaft, wird also bspw. das Gehalt als unfair empfunden, ist der Arbeitsplatz unsicher oder der Führungsstil toxisch, erzeugt das in jedem Fall Unzufriedenheit und Demotivation. Dieser Umstand bildet das Fundament, auf dem alles Weitere im Kontext mit Wertschätzung aufbaut. Und das bedeutet, dass ein brüchiges Fundament nicht durch oberflächliche Maßnahmen stabilisiert werden kann.

  2. Motivatoren hingegen sind nach F. Herzberg die Faktoren, die tatsächlich zu besserem Engagement, höherer Zufriedenheit und Leistungssteigerung anspornen. Dazu gehört die Arbeitstätigkeit selbst, die Möglichkeit zur Übernahme von Verantwortung, persönliche Entwicklungschancen, erlebter Erfolg und explizite Anerkennung bzw. Wertschätzung. Diese Faktoren sprechen die höheren menschliche Bedürfnisse, nämlich die nach Selbstverwirklichung und Wachstum an.

Die Implikation für die Praxis ist eindeutig: Wertschätzung ist ein potenter Motivator, aber sie entfaltet ihre Wirkung erst, wenn die Hygienefaktoren gegeben und erfüllt sind. Der Versuch, mit lobenden Worten von einem unfairen Gehaltsgefüge, schlechten Arbeitsbedingungen oder inkompetenter Führung abzulenken, ist zum Scheitern verurteilt. Mitarbeitende durchschauen solche Strategien rasch und empfinden die vermeintliche Wertschätzung als leere und eher manipulative Geste. Sie wird als Versuch wahrgenommen, emotionale Kompensation für materielle oder strukturelle Defizite zu leisten, ein Tausch, auf den sich in der Praxis psychologisch niemand einlässt.

 

Der Motor von innen: Grenzen extrinsischer Anreize

 

Die nachhaltigste und qualitativ hochwertigste Form der Motivation ist die intrinsische Motivation. Sie entspringt dem inneren Antrieb, eine Sache oder Tätigkeit, um ihrer selbst willen auszuführen, weil sie als spannend, interessant, sinnstiftend oder positiv herausfordernd empfunden wird. Dazu im Unterschied steht die extrinsische Motivation, die durch äußere Anreize wie Monetäre Mittel, zusätzliche Boni oder Lob und Anerkennung durch andere angetrieben wird.

 

Die Psychologen Edward Deci und Richard Ryan stellten in ihrer Selbstbestimmungstheorie fest (Recherche lohnt sich), dass intrinsische Motivation auf der Erfüllung von drei angeborenen psychologischen Grundbedürfnissen beruht:

  1. Autonomie: Das Bedürfnis, das eigene Handeln als selbstbestimmt zu erleben. Mitarbeitende müssen demnach das Gefühl haben, Entscheidungsspielräume zu besitzen und Einfluss auf ihre Arbeitsweise nehmen zu können. Ein Umfeld, das von Mikromanagement, starren Vorschriften und mangelndem Vertrauen geprägt ist, erstickt dieses Bedürfnis und damit die intrinsische Motivation.

  2. Kompetenz: Das Bedürfnis, sich als wirksam und fähig und kompetent zu erleben. Menschen wollen Herausforderungen meistern, ihre Kenntnisse, Fertigkeiten und Kompetenzen einsetzen und laufend weiterentwickeln. Aufgaben, die entweder trivial oder aber unerreichbar schwierig sind, untergraben dieses Kompetenzerleben. Vor allem konstruktives Feedback, laufende Reflexion und die Möglichkeit zur Weiterbildung sind hier essenziell.

  3. Soziale Eingebundenheit: Das Bedürfnis, sich mit anderen verbunden und als Teil einer Gemeinschaft zu fühlen. Respekt, Vertrauen und ein positives Arbeitsklima bilden dafür die Voraussetzung.

Das, dem man im Alltag an Wertschätzung begegnet, zielt vorrangig auf das Bedürfnis nach sozialer Eingebundenheit ab und kann durchaus auch das Kompetenzerleben stärken. Das allein kann jedoch Defizite in den Bereichen der Autonomie und der Kompetenz nicht ausgleichen. Mitarbeitende, deren Autonomie stark beschnitten ist, werden ein Lob für ihre „Eigeninitiative“ eher als ironisch denn als sonst etwas empfinden. Jemand, der sich chronisch unterfordert fühlt, wird Anerkennung für die Erledigung von Routineaufgaben nicht als Bestätigung der Kompetenz, sondern als Abspeisung wahrnehmen. Zusätzlich zu bedenken ist immer auch, dass extrinsische Anreize wie bspw. Lob die intrinsische Motivation sogar untergraben („Korrumpierungseffekt“) können, wenn sie als kontrollierend statt als informativ wahrgenommen werden.

 

Die Währung der Glaubwürdigkeit: Authentizität und organisationale Gerechtigkeit

 

Die Wirksamkeit von Wertschätzung hängt entscheidend von ihrer Echt- und Glaubwürdigkeit ab. Menschen verfügen über hochsensible Antennen für die Authentizität sozialer und emotionaler Signale. Um tatsächlich als motivierend wahrgenommen zu werden, muss Anerkennung spezifisch, ehrlich und zeitnah sein. Ein pauschales, formelhaftes Lob, das inflationär eingesetzt wird, verliert jeglichen Wert und jede Wirkung. Es wird zum bedeutungslosen Ritual.

 

Dazu muss eine Geste der Wertschätzung kongruent mit dem sonstigen Verhalten der Führung, der Kolleginnen und Kollegen und der Kultur des Unternehmens sein. Hier spielt das Konzept der organisationalen Gerechtigkeit eine entscheidende Rolle. Das bezieht sich auf die Wahrnehmung der Mitarbeitenden, ob die Prozesse und Ergebnisse im Unternehmen ausgewogen und fair sind. Dabei unterscheidet man zwischen Verteilungsgerechtigkeit (z. B. Fairness bei Gehältern und Boni), prozeduraler Gerechtigkeit (z. B. Fairness der Entscheidungsprozesse) und interaktionaler Gerechtigkeit (z. B. respektvoller Umgang).

 

Wenn Mitarbeitende erleben, dass bspw. Beförderungen willkürlich erfolgen, Ressourcen unfair verteilt werden oder Entscheidungen intransparent getroffen werden, entsteht ein tiefes Gefühl der Ungerechtigkeit. Ein verbal geäußertes „Danke“ ist nicht in der Lage, dieses Gefühl aufzulösen. Im Gegenteil, es fördert eher die Tendenz, die wahrgenommene Kluft zwischen Worten und Taten zu vergrößern, und das führt z. B. direkt in den zersetzenden Zynismus. Echte Wertschätzung zeigt sich nicht bloß in Worten, sondern eben immer auch in fairen Prozessen, transparenter Kommunikation und konsistentem, respektvollem Handeln auf allen Ebenen.

 

Vom Werkzeug zur Kultur: Ein integratives Motivationsmodell

 

Die Reduktion von Wertschätzung auf ein simples Instrument zur Motivations- und Leistungssteigerung oder zur Bindung der Mitarbeitenden an das Unternehmen verkennt ihre wahre Natur. Wertschätzung ist kein Schalter, der bei Bedarf umgelegt wird, sondern das Ergebnis und der Ausdruck einer tiefgreifenden kooperativen Unternehmenskultur. Eine solche Kultur schafft ein Umfeld, in dem Beteiligung und Motivation organisch wachsen können, weil die grundlegenden psychologischen Bedürfnisse der Mitarbeitenden systematisch erfüllt werden.

 

Ein integratives Motivationsmodell erfordert daher einen ganzheitlichen Ansatz. Es beginnt mit der Sicherstellung fairer und sicherer Rahmenbedingungen (Hygienefaktoren). Darauf aufbauend müssen Arbeitsplätze so gestaltet werden, dass sie Autonomie, Kompetenzerleben und Sinnhaftigkeit ermöglichen. Führungskräfte müssen darin geschult werden, Vertrauen zu schenken, Verantwortung zu übertragen und individuelle Entwicklung zu fördern und zu begleiten.

 

In einem solchen System ist Wertschätzung keine aufgesetzte Maßnahme mehr, sondern sie wird zu einer selbstverständlichen Haltung des gegen- und wechselseitigen Respekts. Diese Art der Wertschätzung zeigt sich in aufrichtigem Interesse, in konstruktivem Feedback, in der echten Anerkennung von Anstrengung und nicht nur von Erfolg und in der fairen Teilhabe an den Früchten der gemeinsamen Arbeit. Dann ist sie der Kitt, der Mitarbeitende und Teams stärkt und eine positive Leistungsspirale in Gang setzt. Ohne das Zusammenwirken von Fundament und Aufbauten bleibt sie nur eine gut gemeinte, aber letztlich leere Geste.

 

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