
Wie oder was?
Was hat es damit in der Pädagogik auf sich?
Autor: Manfred Hofferer & Team Bildungspartner Österreich, © BPÖ 2025
Die Asymmetrie des Gelingens: Warum es in der Pädagogik kein universelles „Richtig“, aber ein klares „Falsch“ gibt. Die professionelle pädagogische Haltung zwischen Methodenpluralität, individuellen Bedürfnissen und unumstößlichen ethischen Grenzen.
Das Spannungsfeld pädagogischer Professionalität
Die Pädagogik als Wissenschaft und Praxis agiert in einem der komplexesten Felder menschlichen Handelns: der Begleitung, Förderung und Bildung von Menschen. Im Kern dieser Disziplin liegt eine spannende und zugleich herausfordernde Asymmetrie. Dieser Umstand lässt sich in der auf den ersten Blick einfachen Aussage verdichten: „Das Faszinierende an der Pädagogik liegt darin, dass es kein universelles ‚Richtig‘, aber dennoch ein klares ‚Falsch‘ gibt.“
Diese Feststellung ist weit mehr als eine rhetorische Figur; sie beschreibt das Fundament professionellen pädagogischen Handelns. Während die Suche nach der einen, allgemeingültigen Methode zur „richtigen“ Bildungsarbeit zwangsläufig scheitern muss, existiert ein solider Konsens über Handlungen und Haltungen, die als eindeutig „falsch“ zu bewerten sind.
Bereich 1: Die Pluralität des „Richtigen“: Warum es keine pädagogischen Patentrezepte gibt
Die Annahme, es gäbe eine universell „richtige“ pädagogische Methode, Vor- oder Herangehens- oder Umgangsweise, ignoriert die fundamentalen Gegebenheiten, die das Feld der Pädagogik definieren. Mehrere Faktoren tragen dazu bei, dass pädagogisches Handeln immer situativ und individuell gestaltet sein muss.
1. Die Einzigartigkeit des Individuums: Jeder Mensch ist ein Unikat. Lernende unterscheiden sich in ihrer Persönlichkeit, ihren kognitiven Voraussetzungen, ihrer emotionalen Verfassung, ihrer sozialen Herkunft und den bisherigen Lebenserfahrungen. Eine Lernmethode, die für einen beliebigen Menschen funktioniert, kann für einen anderen völlig ungeeignet sein. Die Entwicklungspsychologie liefert zwar allgemeine Phasen und Meilensteine, doch das Tempo und die Ausprägung der Entwicklung sind hochgradig individuell. Ein „Richtig“ kann daher immer nur ein „Richtig für diese spezifische Person in diesem Moment“ sein. Professionelles Handeln erfordert daher eine präzise Diagnostik und die Kompetenz, Interventionen flexibel an die Bedürfnisse des Gegenübers anzupassen.
2. Die Bedeutung des Kontexts: Pädagogisches Handeln findet zu keiner Zeit in einem luftleeren Raum statt. Der institutionelle Rahmen (Kindergarten, Schule, Jugendhilfe, Jugend- und Erwachsenenbildung), die Gruppendynamik, die zur Verfügung stehenden Ressourcen und der soziokulturelle Hintergrund prägen die Situation entscheidend. Eine partizipative Projektarbeit mag in einer kleinen, homogenen Lerngruppe ideal sein, während in einer großen, heterogenen und unruhigen Gruppe zunächst klare Strukturen und direkte Instruktion erforderlich sind, um überhaupt eine Lernatmosphäre zu schaffen. Die Erwartungen von Auftraggebenden und Kundschaften, die Vorgaben des Bildungssystems und gesellschaftliche Wertvorstellungen bilden weitere Kontextebenen, die berücksichtigt werden müssen. Ein universelles „Richtig“ würde diese Komplexität unzulässig reduzieren.
3. Die Vielfalt der wissenschaftlichen Theorien: Die Pädagogik ist eine multiparadigmatische Wissenschaft. Es gibt nicht die eine große Theorie, sondern eine Vielzahl von Ansätzen, die unterschiedliche Aspekte von Lernen, Entwicklung und Bildung beleuchten. Der Konstruktivismus (Piaget, Vygotsky) betont die aktive Konstruktion von Wissen durch die Lernenden. Der Behaviorismus fokussiert auf beobachtbares Verhalten und Lernprozesse durch Verstärkung. Humanistische Ansätze (Rogers, Montessori) stellen die Selbstentfaltung und die Bedürfnisse der Individuen in den Mittelpunkt. Systemische Ansätze betrachten die einzelnen Personen als Teil eines Beziehungsgeflechts. Keine dieser Theorien ist per se „richtiger“ als die andere. Sie sind wie verschiedene Werkzeuge in einem Werkzeugkasten. Eine kompetente pädagogische Fachkraft kennt die Stärken und Schwächen der verschiedenen Ansätze und kann sie je nach Ziel und Situation einsetzen. Die „richtige“ Methode bzw. Vorgehensweise ist somit maximal eine reflektierte und begründete Auswahl aus einem breiten theoretischen Repertoire.
4. Der gesellschaftliche Wandel: Was zu einer bestimmten Zeit als pädagogisch „richtig“ galt, kann Jahrzehnte später als überholt oder sogar schädlich angesehen werden. Man denke an die autoritären Erziehungsideale der Nachkriegszeit, die auf Gehorsam und Unterordnung abzielten. Heute stehen Mündigkeit, kritisches Denken und soziale Kompetenzen im Vordergrund. Bildungsziele sind demnach keine statischen Größen, sondern spiegeln die Werte und Anforderungen einer sich wandelnden Gesellschaft wider. Pädagogik muss sich daher kontinuierlich selbst hinterfragen und an neue Gegebenheiten anpassen.
Bereich 2: Das Fundament des „Falschen“: Unverhandelbare Grenzen des pädagogischen Handelns
Während die Seite des „Richtigen“ von Vielfalt und Flexibilität geprägt ist, steht das „Falsche“ auf einem soliden, unverhandelbaren Fundament. Diese Grenzen sind nicht willkürlich, sondern basieren auf ethischen Imperativen, gesetzlichen Vorgaben und gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnissen über die Bedingungen für eine gesunde menschliche Entwicklung.
1. Ethische Grenzen: Die Würde des Menschen: Der oberste und unantastbare Grundsatz ist die Achtung der Menschenwürde. Jede Handlung, die einen Menschen demütigt, entwürdigt, bloßstellt oder instrumentalisiert, ist kategorisch falsch. Dazu gehören:
- Psychische Gewalt: Beschimpfungen, Drohungen, emotionale Erpressung, Ignoranz, systematisches Kleinmachen oder das Lächerlichmachen vor anderen.
- Physische Gewalt: Jegliche Form von körperlicher Züchtigung oder unangemessener körperlicher Einwirkung.
- Manipulation und Indoktrination: Pädagogik zielt auf die Entwicklung von Autonomie und Mündigkeit ab. Handlungen, die darauf abzielen, Lernende zu einem bestimmten Glauben, einer Ideologie oder einem Willen zu zwingen, ohne Raum für kritisches Denken zu lassen, sind fundamental falsch.
- Missachtung von Grundbedürfnissen: Die Verweigerung von Sicherheit, Nahrung, emotionaler Zuwendung oder Schutz ist eine grobe Verletzung der pädagogischen Verantwortung.
Diese ethischen Grenzen sind universell und nicht kontextabhängig. Sie gelten in jeder Kultur, in jeder Institution und gegenüber jedem Menschen, unabhängig von dessen Alter oder Verhalten (u. a. m.).
2. Rechtliche Grenzen: Der Schutzauftrag: Die Gesellschaft hat diese ethischen Prinzipien in Gesetzen verankert. Die ethische Verpflichtung, Teilnehmende zu schützen, ist auch in der Jugend- und Erwachsenenbildung fest in der Rechtsordnung verankert. Während die grundlegenden Prinzipien gleichbleiben, verschieben sich die rechtlichen Schwerpunkte je nach Alter und Lebenssituation der Zielgruppe. Gerade in der Arbeit mit Jugendlichen greift ein umfassender gesetzlicher Schutzauftrag, der dem aus der Kinderbetreuung und Schule ähnelt. Auch wenn die Beziehung oft partnerschaftlicher ist, tragen Fachkräfte eine besondere Verantwortung für das geistige, seelische und körperliche Wohl der ihnen anvertrauten Jugendlichen. In der Arbeit mit volljährigen, mündigen Personen wandelt sich der Schutzauftrag zu einer rechtlichen Fürsorgepflicht der Bildungsanbietenden und der Lehrenden. Der Fokus liegt hier auf dem Schutz der Rechte und der Sicherheit der Teilnehmenden in einem Vertragsverhältnis.
Die Kenntnis und Einhaltung der jeweils relevanten rechtlichen Rahmenbedingungen ist ein unverzichtbarer Bestandteil pädagogischer Professionalität. Egal, ob es um den Schutz von Minderjährigen
oder die Wahrung der Rechte von Erwachsenen geht – rechtssicheres Handeln schafft die Grundlage für das Vertrauen und die Sicherheit, die für gelingende Bildungsprozesse unerlässlich sind.
3. Wissenschaftliche Grenzen: gesicherte Erkenntnisse: Pädagogisches Handeln, das gesicherte Erkenntnisse aus der Entwicklungspsychologie, der Neurobiologie und der Lernforschung
ignoriert oder ihnen widerspricht, ist ebenfalls als „falsch“ zu bewerten. Ein Beispiel wäre, von Lernenden etwas zu verlangen, das bislang noch nicht erworben wurde. Solche unangemessenen
Erwartungen führen zwangsläufig zu Überforderung, Frustration und negativen Lernerfahrungen. Ebenso ist die Anwendung nachweislich schädlicher oder widerlegter Methoden (bspw.
Lernpyramide/Lerntypen, Multitasking ist effizient, die Methode (Gamification) des Lernens ist wichtiger als der Inhalt usw.) unprofessionell und falsch.
Synthese: Professionelle Haltung als Kompass im pädagogischen Feld
Die Erkenntnis, dass es kein universelles „Richtig“, aber ein klares „Falsch“ gibt, führt direkt zum Kern dessen, was pädagogische Professionalität ausmacht. Sie ist keine technische Anwendung von Rezepten, sondern eine reflektierte Haltung. Diese Haltung navigiert ständig zwischen den vielfältigen Möglichkeiten des „Richtigen“ und den klaren Grenzen des „Falschen“. Sie zeichnet sich durch folgende Merkmale aus:
- Wissensfundierung: Professionelle kennen die relevanten Theorien, Entwicklungs- und Lernmodelle sowie mit Lerntheorien verbundene methodische Ansätze.
- Reflexionskompetenz: Sie hinterfragen das eigenes Handeln permanent: Warum tue ich das? Welche Theorie leitet mich? Welche Wirkung hat mein Handeln auf dieses spezielle Individuum in dieser Situation?
- Beziehungskompetenz: Sie erkennen an, dass eine tragfähige, von Respekt und Vertrauen geprägte Beziehung die Basis für alle gelingenden Vermittlungs- und Bildungsprozesse ist.
- Ethikbewusstsein: Sie haben einen verinnerlichten moralischen Kompass, der auf der unbedingten Achtung der Würde des anderen beruht.
Fazit
Die Faszination der Pädagogik liegt genau in dieser skizzierten Asymmetrie. Sie ist keine exakte Wissenschaft mit deterministischen Gesetzen, sondern eine Handlungswissenschaft, die Urteilsvermögen, Kreativität und eine hohe ethische Verantwortung erfordert. Die Abwesenheit eines einzigen „richtigen“ Weges ist keine Beliebigkeit, sondern ein Auftrag zur ständigen professionellen Weiterentwicklung, zur genauen Beobachtung und zum empathischen Verstehen des Gegenübers. Das Wissen um das klar definierte „Falsche“ gibt dabei die notwendige Sicherheit und Orientierung. Professionelle Pädagogik ist die Kunst, im weiten Raum der Möglichkeiten den für das Individuum und die Situation passenden Weg zu (er-)finden, ohne die fundamentalen Grenzen von Ethik und Respekt zu überschreiten.
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HINWEIS: Für die sprachliche Glättung und stilistische Vereinfachung dieses Beitrags wurden KI-basierte Tools (ChatGPT 5, Gemini 2.5 Pro, Copilot) unterstützend eingesetzt. Alle inhaltlichen Aussagen und Schlussfolgerungen wurden von Autor ausgewählt, geprüft und verantwortet. Die KI hatte keine Rolle bei der inhaltlichen Generierung oder Bewertung der Forschungslage.