Bewegung & Lernen

Das Neuro-Trio

Bewegung bringt Gehirn und Psyche in Balance

Autor: in Manfred Hofferer, Renate Fanninger & Team Bildungspartner Österreich, © BPÖ 2025

Körperliche Aktivität beeinflusst das Gehirn tiefgreifend – auf physiologischer wie psychologischer Ebene. Entscheidend dabei ist vor allem das Zusammenspiel dreier Hirnstrukturen: Hypothalamus, Hypophyse und Amygdala. Sie bilden ein fein abgestimmtes Netzwerk, das körperliche Herausforderungen registriert, steuert und emotional bewertet.

 

Besonders im Kontext von Ausdauersport – etwa bei regelmäßigen Radtouren – zeigt sich die Bedeutung dieser drei Strukturen, da Ausdauerbelastungen im Vergleich zu kurzzeitigen, intensiven Aktivitäten besonders nachhaltig auf hormonelle, emotionale und metabolische Prozesse wirken und die psychische Stabilität fördern.

 

Steuerung durch den Hypothalamus

 

Der Hypothalamus übernimmt eine zentrale Steuerungsfunktion. Für den Alltag Lernender bedeutet das: Der Körper reagiert unmittelbar auf Belastung und stellt Ressourcen bereit, um Reaktions-, Handlungsfähigkeit und Konzentration aufrechtzuerhalten – eine Kompetenz, die auch in herausfordernden Lernsituationen trägt. Als übergeordnete Schaltzentrale reguliert der Hypothalamus vegetative Prozesse wie Herzfrequenz, Temperatur und Flüssigkeitshaushalt und ist wesentlich an der hormonellen Stressreaktion beteiligt. Registriert er körperliche Belastung, aktiviert er den Sympathikus – einen Teil des vegetativen Nervensystems. Das führt zur Ausschüttung von Adrenalin und Noradrenalin, wodurch sich Atmung, Herzschlag und Energiebereitstellung beschleunigen. Gleichzeitig werden Stoffwechselprozesse aktiviert, etwa der Abbau von Glykogen und die Mobilisierung von Fettsäuren. Der Stoffwechsel wird effizienter, der Energieumsatz steigt, der Blutzuckerspiegel wird reguliert.

 

Die Rolle der Hypophyse

 

Parallel dazu tritt die Hypophyse in Aktion. Als hormonelle Drehscheibe empfängt sie Signale des Hypothalamus und stimuliert unter anderem die Nebennierenrinde. Dort wird Cortisol freigesetzt – ein Hormon, das kurzfristig Leistungsbereitschaft sichert, aber bei chronischer Überproduktion psychisch belastend und krankmachend wirken kann. Parallel dazu werden Endorphine ausgeschüttet, die eine schmerzreduzierende Wirkung haben und angenehme emotionale Zustände erzeugen. Zusätzlich aktiviert die Ausschüttung von Wachstumshormonen regenerative Prozesse im Körper. Dabei wird etwa die Zellreparatur gefördert. Der Fettstoffwechsel positiv beeinflusst und der Aufbau von Muskelmasse unterstützt.

 

Emotionale Bewertung durch die Amygdala

 

Die Amygdala ergänzt das System als emotionales Bewertungszentrum. Sie analysiert sensorische und soziale Reize hinsichtlich ihrer emotionalen Relevanz – insbesondere im Hinblick auf Bedrohung oder Sicherheit. Wird eine Radtour in angenehmer Umgebung erlebt – begleitet von positiven Sinneseindrücken und Erfolgserlebnissen – registriert die Amygdala keine Gefahr. Die Stressantwort bleibt gedämpft. Dieses Ausbleiben einer Alarmreaktion hat langfristige Folgen: Wiederholte positive Erfahrungen führen zu einem neurobiologischen Umlernen. Die Amygdala reagiert weniger stark auf belastende Reize, was in der Folge eine Reduktion von Ängstlichkeit und Reizbarkeit begünstigt.

 

Langfristige Effekte auf Psyche und Stoffwechsel

 

Das regelmäßige Aktivieren dieser drei Strukturen – unter Bedingungen, dass sie keine Bedrohung darstellen, sondern kontrollierbare Belastung mit positiven Rückmeldungen bieten – wirkt wie ein neurobiologisches Training. Die sogenannte Hypothalamus-Hypophysen-Nebennieren-Achse (HPA-Achse) wird reguliert. Die Person wird belastbarer, emotionale Ausschläge nehmen ab, das Stressempfinden sinkt. Parallel dazu zeigen sich erhöhte Konzentrationen stimmungsaufhellender Botenstoffe wie Dopamin und Serotonin, die über die Zeit eine antidepressive Wirkung entfalten.

 

Ein weiterer positiver Effekt betrifft die Neuroplastizität. Das Gehirn passt sich wiederholten Anforderungen an, neue Verschaltungen entstehen und belastungsbezogene Kompetenzen werden gestärkt. Diese neuronale Flexibilität unterstützt eine wachsende Resilienz – die Kompetenz, mit Herausforderungen flexibel, lösungsorientiert und stabil umzugehen. Die Person erlebt sich als wirksam, was wiederum die positive Eigenwahrnehmung und das Selbstbild stärken.

 

Nicht zuletzt beeinflussen diese Prozesse langfristig auch den Stoffwechsel: Der Grundumsatz steigt, die Glukoseverwertung wird effizienter, und hormonelle Regelkreise wie die Insulinsensitivität stabilisieren sich – ein Effekt, der über das emotionale hinaus direkt zur körperlichen Gesundheit beiträgt. Das kann bspw. präventiv gegen Stoffwechselerkrankungen wie Typ-2-Diabetes oder das metabolische Syndrom wirken und unterstreicht den Wert regelmäßiger moderater Bewegung für die allgemeine Gesundheitsbildung.

 

Bewegung als Methode in der Bildungsarbeit

 

Die Bedeutung dieser Prozesse reicht weit über individuelle Effekte hinaus. In der Jugend- und Erwachsenenbildung lassen sich körperliche Aktivitäten gezielt als Methode einsetzen, um emotionale Stabilität, Belastungsregulation und Selbstwirksamkeit zu fördern. Ein praxisnahes Beispiel ist das Konzept des „Bildungsbikens“: Lernprozesse werden dabei mit Bewegung im Freien – vorzugsweise auf Fahrrädern - kombiniert. Thematische Impulse werden gezielt mit Aktivitäten und mit anschließenden Reflexionsphasen verknüpft. Besonders in der Arbeit mit Personen in psychosozial herausfordernden Lebenssituationen oder in stressanfälligen Berufsfeldern bietet dieses Training eine fundierte Grundlage für integrative Lern- und nachhaltige Entwicklungskonzepte.

 

Praxisnutzen 

 

Das fein aufeinander abgestimmte Zusammenspiel von Hypothalamus, Hypophyse und Amygdala zeigt, wie eng körperliche Bewegung mit psychischer und körperlicher Stabilität verknüpft ist. In der Bildungsarbeit kann dieses Wissen konkret genutzt werden, um gute lernfördernde Bedingungen zu schaffen. Werden körperliche Aktivitäten gezielt in pädagogische Konzepte integriert, lassen sich emotionale Belastungen reduzieren, Stoffwechselprozesse positiv beeinflussen und Selbstregulation stärken. Es eröffnet sich eine wunderbare Möglichkeit, Lernen mit Gesundheit zu verbinden – faktenbasiert, nachvollziehbar und niedrigschwellig anwendbar.

 

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