
Convenience Culture
Alles wird schneller
Autor Manfred Hofferer & Team Bildungspartner Österreich, © BPÖ 2025
Convenience Culture in der Bildung: Stille Revolution oder Gefahr? Aktuell leben wir in einer Zeit, in der nahezu alles schnell, einfach und bequem sein muss. Essen bestellen wir mit einem Klick, Filme starten ohne Wartezeit, und selbst komplexe Aufgaben müssen sich in Minuten erledigen lassen. Diese Haltung hat einen Namen: Convenience Culture; also „Kultur der Bequemlichkeit“. Was noch vor wenigen Jahren als großartiger Fortschritt galt, ist heute ermüdender Alltag. Was passiert, wenn diese Haltung auf die Bildung überspringt?
Was steckt hinter Convenience Culture?
Die Convenience Culture prägt den Alltag der Menschen. Sie steht für Vereinfachung, Zeitersparnis und (so es irgend geht) minimale Anstrengung. Ob Online-Shopping, digitale Kommunikation oder Informationssuche: alles muss schnell und ohne Mühe funktionieren. Bequemlichkeit ist fast schon der wichtigste Maßstab für Lebensqualität. Auch der Zugang zu Bildung bleibt davon nicht unberührt.
Bequemlichkeit in der Bildung: ein wachsender Trend
Inzwischen hat sich diese Kultur der Vereinfachung auch im Bildungsbereich breitgemacht. Mit der Folge, dass Lernvideos immer kürzer werden, Lerninhalte auf das Nötigste reduziert sind und die Zeit so knapp wie möglich geplant wird. Zunehmend mehr Apps oder Online-Kurse werben massiv damit, dass man mit wenigen Klicks rasch zu neuem Wissen und fundamentalen Erkenntnissen kommt, jedoch (so ehrlich müsste man sein) in der Regel ohne tieferes Nachdenken, echte Auseinandersetzung und nachhaltige praxisrelevante Erkenntnisse.
Typische Beispiele dieser Entwicklung:
- Drei-Minuten-Videos: Komplexe Themen werden komprimiert und visuell attraktiv, aber sehr vereinfacht und oberflächlich dargestellt.
- Standardisierte Tests: Multiple Choice ersetzt offene Aufgaben, in denen die Lernenden selbst recherchieren, lesen, denken und argumentieren müssen.
- Spielerisches Lernen: Gamification setzt auf Punkte und Belohnung, nicht auf Erkenntnis und Anwendung.
- „Instant-Zertifikate“: Lernen als Produkt, nicht als Prozess und das Motto heißt: „Hauptsache, das Zertifikat ist schnell verfügbar.“
Was bleibt auf der Strecke?
Der Zugang mag bei diesem Trend zwar niedrigschwellig sein, aber echte Bildung braucht mehr als eine Anhäufung von kurzen Impulsen. Denn was dabei verloren geht, ist die Möglichkeit, sich ernsthaft und tief mit Inhalten auseinanderzusetzen. Kompetenzen wie kritisches Denken, die Fertigkeit, komplexe Zusammenhänge zu durchdringen, und die Kompetenz, eigenes Wissen sinnvoll anzuwenden, geraten in den Hintergrund. Lernen wird zum Konsumprodukt. Das ist zwar bequem, aber flach.
Wo liegen das Potenzial und wo die Gefahren?
Ja, Convenience kann Einstiegshürden senken und zunächst einmal motivieren. Für viele ist es der erste Zugang zu neuen Themen und Inhalten. Doch wenn Bequemlichkeit das Maß aller Dinge wird, verkommt Bildung zu oberflächlichem Pseudowissen. Dann zählt nicht mehr, was Frau, Mann und Divers verstanden, anwenden und umsetzen kann, sondern wie schnell sie zu einem Ergebnis bekommen. Das hat gravierende negative Folgen und das nicht nur für die Einzelnen, sondern für die Gesellschaft und deren Entwicklung insgesamt.
Was Bildung stattdessen braucht
Es gibt Alternativen. Bildung kann und muss mehr sein als schneller und leicht verarbeitbarer Input. Das Konzept des Deep Learning - hier verstanden als in die Tiefe gehendes, eigenständiges und reflektiertes Lernen - betont genau das. Es geht um nachhaltige Kompetenzen: Inhalte verstehen, übertragen, bewerten und reflektiert anwenden. Das braucht Zeit, Übung, nicht selten Frust, aber genau darin liegt der eigentliche Wert von Bildung.
Mehr Tiefe statt mehr Tempo
Bequemlichkeit hat ihren Platz, auch im Lernen. Sie darf jedoch nicht zur alleinigen Leitlinie werden. Bildung darf fordern. Sie lebt vom Ringen um Verständnis, vom Hinterfragen, vom eigenen Denken, und dem Diskurs mit anderen. In einer Welt, in der alles jederzeit verfügbar scheint, wird gerade das bewusste, konzentrierte Lernen wieder wichtiger. Bildung, wenn sie so genannt werden will, braucht in jedem Fall mehr Tiefe, nicht weniger.
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