
Wie entsteht Verstehen?
Wahrnehmung, Vorwissen, Interpretation und Reflexion beeinflussen das Verstehen
Autor: Manfred Hofferer & Team Bildungspartner Österreich, © BPÖ 2025
Verstehen ist die Grundlage für nachhaltiges Lernen und die Entwicklung von Kompetenzen, unabhängig davon, ob es um berufliche Weiterbildung, persönliches bzw. privates Lernen geht. Der Prozess des Verstehens verläuft nicht linear, sondern entsteht durch ein fein aufeinander abgestimmtes Zusammenspiel verschiedener Faktoren, die aufeinander aufbauen und sich gegenseitig beeinflussen.
Wahrnehmung und selektive Aufmerksamkeit
Am Beginn jedes Verstehens steht die bewusste Wahrnehmung. Bereits hier greifen selektive Aufmerksamkeitsprozesse und Filtermechanismen, die bestimmen, welche Reize überhaupt verarbeitet werden. Individuelle Interessen, Erfahrungen und die jeweilige Situation steuern, welche Informationen für den weiteren Prozess zugänglich sind. Informationen gelangen über verschiedene Sinneskanäle in das menschliche Gehirn: Lesen, Zuhören, Beobachten oder das Wahrnehmen nonverbaler Signale. In der Praxis zeigt sich das bspw., wenn Teilnehmende eines Kommunikationstrainings gezielt ihre Aufmerksamkeit auf die Körpersprache lenken. Ohne diese gezielte Fokussierung bleibt der Informationsinput fragmentarisch und wenig nachhaltig.
Aktivierung von Vorwissen
Verstehen setzt voraus, dass neue Informationen mit bereits vorhandenem Wissen in Verbindung gebracht und miteinander verknüpft werden. Diese sogenannte Anschlussfähigkeit erleichtert das Einordnen neuer Inhalte. In der Regel wird in Schulungen und Trainings zunächst nach bisherigen Erfahrungen gefragt, bevor neue theoretische Modelle vorgestellt werden. Das erleichtert das Andocken neuer Informationen und fördert die Bereitschaft zur tieferen Verarbeitung. Fehlt diese Verbindung, bleibt der Lernstoff weithin abstrakt und wird kaum behalten.
Verarbeitung und Interpretation
Im Anschluss an die Wahrnehmung und die Aktivierung des Vorwissens beginnt die eigentliche Verarbeitung:
- Muster und Zusammenhänge erkennen: Beispielsweise in Fallbesprechungen oder bei Fallanalysen identifiziert die Person wiederkehrende Elemente oder logische Beziehungen und leitet daraus Handlungsoptionen ab.
- Schlussfolgerungen ziehen: Beobachtungen, etwa, dass bestimmte Kommunikationsmuster zu Missverständnissen führen, werden in alternative Strategien überführt.
- Mentale Modelle bilden: Abstrakte Sachverhalte werden in der Folge in innere Bilder übersetzt. Solche mentalen Modelle sind wesentlich, weil sie nicht nur das Verständnis sichern, sondern es ermöglichen, das Wissen langfristig zu speichern und situationsorientiert und flexibel auf neue Situationen zu übertragen. Daraus entsteht aus einmaligem Lernen eine dauerhafte Kompetenz, die auch bei neuen Anforderungen nutzbar bleibt.
- Abgleich mit Erwartungen: Ergeben sich im Lern- und Aneignungsprozess Diskrepanzen zu eigenen Erwartungen, kann dies zu Aha-Erlebnissen führen oder Widerstand erzeugen und regt damit immer auch eine tiefere Auseinandersetzung mit dem Lernthema an.
Emotionale und motivationale Faktoren
Verstehen ist untrennbar mit Emotionen und Motivation verbunden. Intrinsische Motivation, wie echtes Interesse oder Freude an einem Thema, führt dazu, dass Inhalte aktiver und nachhaltiger erschlossen werden. Extrinsische Motivation, etwa durch Anerkennung oder Belohnung, kann das Engagement zwar kurzfristig steigern, bleibt jedoch meist auf die Situation begrenzt. Positive Emotionen wie Neugier oder Erfolgserlebnisse erleichtern die Verarbeitung und Vertiefung von Inhalten, während Unsicherheit oder Angst eher hinderlich wirken. Zeigt sich für die Lernenden ein persönlicher oder beruflicher Nutzen, steigt das Engagement deutlich. Ein Beispiel: Die aktive Anwendung und Umsetzung von Konfliktlösungsstrategien im eigenen Berufsalltag motivierten dazu, sich weiterhin intensiver mit dem Thema auseinanderzusetzen und das Verstandene tatsächlich einzusetzen.
Reflexion, Integration und Transfer
Das reine Verarbeiten von Informationen reicht für nachhaltiges Verstehen nicht aus. Erst die gezielte Reflexion, konkret das Überdenken, Zusammenfassen in eigenen Worten und der Austausch darüber mit anderen, sorgt dafür, dass das Wissen überprüft und angepasst werden kann. In der Jugend- und Erwachsenenbildung geschieht das etwa in Partner: Innenarbeiten, der Kleingruppen, durch praktische Aufgaben oder Gesprächs-, Diskussions- und Feedbackrunden. Besonders relevant ist der Transfer: Dabei werden erlernte Inhalte auf neue, reale Situationen übertragen. So kann etwa eine im Training eingeübte Kommunikationsstrategie in einer neuen, unbekannten Arbeitsgruppe bewusst eingesetzt werden. Die Kompetenz, bekannte Muster zu erkennen und flexibel darauf zu reagieren, zeigt den Erfolg des Verstehensprozesses.
Beispiel aus der Praxis
Ein typischer Ablauf in einem Training zur Gesprächsführung: Zunächst werden Beobachtungen gesammelt (Wahrnehmung), dann Erfahrungen ausgetauscht (Vorwissen), anschließend Kommunikationsmodelle vorgestellt (Verarbeitung/mentale Modelle), die persönliche Relevanz reflektiert (emotionale/motivationale Faktoren) und abschließend eigene Strategien entwickelt und in Rollenspielen erprobt (Reflexion und Integration). Untersuchungen zeigen, dass die Kombination aus Input, aktiver Beteiligung und Reflexion zu einer deutlichen Vertiefung des Verständnisses und einer nachhaltigeren Verbesserung der Handlungskompetenz führt. Der Prozess des Verstehens zeigt sich dabei immer als dynamisch und aktiv.
Ausblick und Zusammenfassung
Die Frage, wie Verstehen entsteht, bleibt zentral für die Bildungsforschung und pädagogische Praxis. Angesichts vielfältiger Lernwege und Biografien wächst die Bedeutung individueller Reflexionsmöglichkeiten und aktiver Nutzung von Vorwissen. Digitale Bildungsangebote bieten neue Chancen für gezielte Aufgabenstellungen und unmittelbare Rückmeldungen. Zukünftige Trainingsformate müssen noch sehr viel stärker auf die Übertragung in echte Handlungssituationen setzen und dabei gleichzeitig das eigenständige und kritische Nachdenken fördern. Lernumgebungen, in denen Fehler Teil des Lernprozesses sind, Fragen gestellt und eigene Erfahrungen eingebracht werden können, unterstützen nachhaltiges Verstehen. Die bewusste Steuerung von Aufmerksamkeitsprozessen, die gezielte Förderung von Motivation und die Schaffung von konkreten Anwendungsräumen bleiben auch zukünftig zentrale Gestaltungsaufgaben.
Worum geht es also?
- Vorwissen aktivieren: Neue Inhalte stets an Bekanntes anknüpfen.
- Aufmerksamkeit steuern: Störungen vermeiden und Fokus gezielt anleiten und lenken.
- Lernziele klar formulieren: Klare Ziele erleichtern die Strukturierung.
- Motivation stärken: Sinn und Nutzen der Inhalte deutlich machen.
- Aktive Beteiligung ermöglichen: Lernen durch Mitmachen festigt Wissen.
- Praxisnähe sichern: Alltagsrelevante Beispiele einbauen.
- Reflexion einplanen: Zeit für Nachdenken und Austausch schaffen.
- Transfer unterstützen: Anwendung auf neue Situationen fördern.
- Vielfalt der Methoden nutzen: Unterschiedliche Wege zum Ziel anbieten.
- Raum für Fragen lassen: Nachfragen und Fehler als Lernchancen sehen.
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